Wahre Geschichten aus dem Praxisalltag

Königin von Saba oder Angela Merkel?

Der Hamburger Dermatologe Dr. med. Claus Dreessen beschreibt diesmal eine – wahre – Begebenheit: Die Patienten-Kasuistik.

Foto: privat
Dr. med. Claus Dreessen

Ein 76-jähriger promovierter und habilitierter Patient (Professor) stellte sich Anfang Juni 2013 bei mir vor. Nach Anamnese und Untersuchung legte er mir Kopien eines E-Mail-Verkehrs mit einer zuvor erstmalig von ihm vor etwa sechs Wochen besuchten dermatologischen Fachärztepraxis in Schleswig-Holstein vor. Hier war die Exzision eines Hauttumors über der rechten Scapula vorgenommen worden. Zum Verständnis sei erwähnt, dass Patienten dieser Praxis sich ihre Termine selbst online geben, was zugegebenermaßen so ganz einfach wirklich nicht ist. Doch lesen Sie selbst die wortwörtlich wiedergegebenen E-Mail-Passagen (Namen verfälscht):


1.) Prof. Mister an Hautarztpraxis Frau und Herrn Dres. Muster am 22. Mai 2013:
Guten Tag, der nächste Online-Termin ist der 2.8. bei Ihnen. Wir fahren am 15.7. in den Urlaub.
Meine Schwellung im Rücken, die Frau Dr. Muster entfernte, wächst wieder. Ich bin beunruhigt. Bitte vorher einen Termin möglich machen. Danke.
Prof. Mister + Telefonnummer


2.) Antwort Hautarztpraxis an Prof. Mister am 22. Mai, 17.58 Uhr:
Bitte auch mal LESEN!


3.) Prof. Mister an Hautarztpraxis am 22. Mai, 18.01 Uhr:
Ihre Mail kam wieder zurück. Entschuldigung.


4.) Prof. Mister an Hautarztpraxis am 23. Mai, 15.10 Uhr:
Ich komme nicht zurecht mit Ihrer Anmeldekartei. Bitte Rückruf. Danke. Termin 13.6. wäre gut.
Prof. Mister + Telefonnummer


5.) Antwort Hautarztpraxis an Prof. Mister am 23. Mai, 22.04 Uhr:
Bitte kapieren Sie es: Termine sind ALLE bis ungefähr August. Auch für die Königin von Saba oder noch lieber für Frau Merkel. Sie müssen als Eilfall kommen und auf eine Lücke warten. Verhungert ist bei uns noch keiner.

(Anm. des Verfassers : wiederum ohne Anrede und ohne namentliche Unterfertigung)


6.) Prof. Mister an Hautarztpraxis am 28. Mai, 17.29 Uhr:
Ohne Anrede, wie Sie es so halten;
Danke für Ihr erzieherisches Schreiben. Erinnert mich so an den Umgangston in der DDR. Diesen Ton verbitte ich mir. Wenn Sie mich so zurechtweisen wie einen unbedarften Trottel, dann möchte ich Ihnen vorhalten, dass Sie an meinem Rücken gepfuscht haben. Das von Ihnen angeblich total entfernte Gewächs ist wieder da. Deswegen wollte ich Ihre Praxis aufsuchen. Aber in solche Hände begebe ich mich nicht mehr. Eine Kopie meiner Einschätzung zu Ihrer Person und zu Ihren ärztlichen Qualitäten geht an die Ärztekammer in Schleswig-Holstein.
Ohne Gruß und Abrede, wie Sie es so halten


7.) Antwort Hautarztpraxis an Prof. Mister am 28. Mai, 20.04 Uhr:
Sehr geehrter Herr Mister (Anm. des Verfassers : ohne Titel!),
Ihren Unmut über Frau Muster lassen Sie bitte an mir aus, denn ich bin der Urheber der ärgerlichen Antworten an Sie (mein Name: Muster). Wir kämpfen mit 4.500 bis 5.000 Patienten pro Quartal (Anm. des Verfassers: mal 19,75 Euro in SH) und unsere Termine sind in der Tat monatelang im Voraus vergeben. Was ich Ihnen verständlich machen wollte, ist, dass Sie einfach so kommen können – dann ist das zwar kein Termin, aber Sie kommen trotzdem dran. Dieses Angebot ist erheblich mehr, als Sie bei vielen Mitbewerbern bekommen, die nehmen Sie nämlich gar nicht oder erst im nächsten Quartal. Was die Kürze angeht, ist das Tippen auf einem Handy etwas mühsam und ich war über Ihre Beratungsresistenz ziemlich sauer. Mit dieser Gegenübertragung werden Sie leben müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Dr. Master Muster


Was lernen wir daraus?

  1. Ein Paradebeispiel für modernes Praxismarketing und kluge ,ökonomische Patientensteuerung‘
  2. Der Hautkollege Dr. med. Muster hat es nicht so mit akademischen Titeln,
  3. er scheint bibel-, zumindest aber historienfest, und ist aktuell politisch auf der Höhe,
  4. er hat weniger gut zu tun als seine Mitbewerber,
  5. er scheint noch nicht so mobiltelefon-fit,
  6. er ist hingegen psychologisch gebildet, erfahren und versiert
  7. und zum Schluss ...freundlich!

So seh ich das! dreessendoc.com