Glosse Mai 2013 – Ansichtssache

Allergisch oder intolerant?!

Auch in dieser Ausgabe mag der Hamburger Dermatologe Dr. med. Claus Dreessen es nicht lassen, sich so seine Gedanken über Zahlen und Zahlungen zu machen. Diesmal hat er sich ein wenig in das Kongress-Wesen vertieft.

Foto: privat
Dr. med. Claus Dreessen

Ko.mi.Ko klingt irgendwie wie Kamikaze, oder? Gemeint sind Kongresse mit Kosten – Kosten mit Kongressen (erwirtschaften). Schon an früherer Stelle habe ich mich über die Notwendigkeit von ärztlichen Fortbildungsveranstaltungen ausgelassen und diese grundsätzlich für richtig statt für nichtig erachtet (siehe auch DERMAforum 10/2012). Auch finde ich es gut und richtig, dass diese an so unterschiedlichen Stätten und Regionen in diesem unserem Lande und so zahlreich angeboten werden.
Zahlreich? Das ist das Stichwort. Zum Beispiel zum Thema Allergien. Allergien allerorten, allerzeiten! Nicht nur bei den davon geplagten Betroffenen, nein auch bei den professoralen Lehrkörpern, die – durchaus teilweise – ihrem moralischen und universalen Lehrauftrag auch dadurch gerecht werden, dass sie uns Frontkämpfer mit neuesten Erkenntnissen und Errungenschaften der modernen Medizin versorgen und updaten.
Und irgendwie müssen wir ja auch unsere von KVen und Ärztekammern geforderten Fortbildungspunkte kontinuierlich nachweisen, denn ohne Wissen kein ruhiges Gewissen, ohne Punkte keine Penunze! So gut, so schön. Schön und gut ist es auch, wenn einige dieser Veranstaltungen nicht in maroden Hörsälen altbackener Universitätsgebäude auf holzharten Klappsitzen im gestaffelten Halbrund Amphitheater-ähnlicher Seziersäle stattfinden, in denen das zeitweilige oder vorzeitige Verschwinden zu Umsonst-Kaffee, Gummibärchen oder Kugelschreibern der Industrieaussteller genauso offen und sichtlich wahrzunehmen ist wie der echotische Nachhall eines gesunden Nicknap-Geschnarches.
Nein, dann lieber auf weichem Polstergestühl und schallschluckenden Teppichböden, da fällt beides nicht soo sehr auf. Allerdings müssen solcherlei Event-Schuppen ja auch irgendwie miet- und mit-bezahlt werden, genauso wie Kongressvorlaufkosten, Service- und Technikpersonal, Referenten- und Reise-Honorare und und und ... Da kommt ganz heftig was zusammen, und dementsprechend heftig sind dann ja mittlerweile auch die Teilnehmergebühren für so ein Wochenende. Dafür müssen selbst junge Stations-Assis häufig ab 200 Euro aufwärts berappen – ohne Fahrt-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten. Und wenn nun nur einhundert Stations-Assis ihre Gebühren entrichtet haben, sind das immerhin schon mal 20.000 Euro.
Wer selbst schon Kongresse ausgerichtet und kalkuliert hat, der weiß nur zu gut, was man damit schon so alles anstellen kann. Wenn dann nun noch die Aussteller zusätzlich ihre nicht gerade gering-centigen Platzmieten bezahlt haben, wenn die Bronze-, Silber-, Gold- und Platinsponsoren ihre oft im sehr hohen, fünfstelligen Bereich angesetzten Werbegelder ausspucken, dann ist nach plausibler Pi-mal-Fensterkreuz-Rechnung keine Kostendeckung gegeben, sondern – nach Abzug sämtlicher Kosten – ein erheblicher Überschuss, sprich Profit, dabei. Und da fragt sich der leise Zweifler bisweilen laut: Wer bekommt den wohl? Ist unter solchen Umständen ein nicht gerade gering zu erachtender Teilnahme-Preis für die Kollegen noch wirklich gerechtfertigt?
Es ist nur schwerlich vorstellbar, dass abhängig beschäftigte Kongress-initiierende Abteilungs- oder Klinikdirektoren ausschließlich ihre freie Zeit unbezahlt für derartige Vorbereitungen zur Verfügung stellen oder Sekretärinnenzeiten und Telefonkosten aus ureigenster Tasche entlöhnen. Wie wär’s denn mal mit Transparenz auch hier? Wir lesen doch allenthalben Kongressberichte, in welchen steigende Teilnehmerzahlen stolz verkündet werden so wie bei beispielsweise von einer eintägigen Allergie-Veranstaltung irgendwo in heiligen Hallen am Rhein; mit mehr als 750 Teilnehmern à 170 Euro Gebühren macht das nach Adam Riese schlapp mehr als 125.000 Euro Einnahme, wohlgemerkt ohne (!) die „freundliche Unterstützung“ der sieben Haupt-Pharma-Partner sowie ungezählter kleinerer Unternehmen.
Legt man dann Raumkosten von rund 15.000 Euro zugrunde und einige „Peanuts“ fürs Marketing und das eingeschaltete professionelle Organisationsbüro, dann bleiben doch hinreichende Restoboli für die nicht einmal fünfzehn, meist professoralen Moderatoren und Referenten übrig, und die läppern sich... Da könnte man als Beobachter oder Teilnehmer neidisch werden, oder?
Und allergisch oder intolerant! Oder fällt das alles gar unter irgendeinen Klüngel? Bim Bam! So seh ich das!

dreessendoc.com