Neue Versorgungsstudie: Erfolge der modernen Wundversorgung
Eine neue Studie der PMV Forschungsgruppe Köln geht von fast 900.000 chronischen Verläufen komplexer Wunden aus. Besonders bei Männern ist in Deutschland die Zahl diabetischer Fußläsionen deutlich zu hoch. Experten weisen auf Wissenslücken bei den Patienten und Strukturprobleme als Ursachen dafür hin. Als Erfolg der modernen Wundversorgung bewerten Experten, dass rund zwei Drittel der Wunden innerhalb von acht Wochen abheilt.
Rund 2,7 Millionen Menschen leiden in Deutschland an komplexen Wunden, bei etwa 890.000 Patienten nehmen diese einen chronischen Verlauf. Das ist das Ergebnis einer neuen Versorgungsstudie der PMV Forschungsgruppe Köln. Sie basiert auf der Hochrechnung einer Stichprobe von 277.000 Versicherten der AOK Hessen auf die deutsche Gesamtbevölkerung. Erstmals wird in einer Versorgungsstudie deutlich, dass bei 1,8 Millionen die Wunden innerhalb von acht Wochen abheilen. „Die chronischen Wundpatienten sind im höheren Lebensalter, multimorbide, überdurchschnittlich pflegebedürftig und werden häufiger stationär behandelt als Vergleichspatienten ohne Wunden“, so Stefan Rödig, Gesundheitsökonom von Lohmann & Rauscher und Betreuer der Studie für den Bundesverband Medizintechnologie e. V. (BVMed).
Bessere Versorgung zeigt Wirkung
„Das ist ein großer Erfolg für alle an der Wundversorgung Beteiligten“, hob Prof. Dr. med. Knut Kröger, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie der Helios Klinik in Krefeld und stellvertretender
Vorsitzender der Initiative Chronische Wunde (ICW) bei einem Fachgespräch des BVMed zu den Studienergebnissen hervor, „Hier hätten sich die Anstrengungen für eine bessere Ausbildung und
Versorgung in den vergangenen Jahren bemerkbar gemacht.“
Gabriela Kostka, bei der DAK-Gesundheit verantwortlich für das Versorgungsmanagement chronischer Wundpatienten, hob insbesondere den Nutzen der methodischen Ansätze der Studienautorinnen für ihre
Aufgabe hervor. Da chronische Wunden heute nicht gut kodiert werden können, lassen sich mit dem Instrumentarium der Studie die Risikopatienten besser identifizieren. In der Folge können mehr
Patienten vom Versorgungsangebot der DAK profitieren.
Wir brauchen eine „Fußkultur“ bei Männern
Bei allem Erfolg müssen die vorhandenen Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation genutzt und dabei auch stärker die Patienten einbezogen werden. „Wir brauchen eine neue Fußkultur“, sagte
Kröger. Die Studie zeigt, dass das diabetische Fußsyndrom bei Männern viel verbreiteter ist als bei Frauen, was auch kulturelle Gründe hat. Daher bietet eine intensivere Patientenaufklärung das
Potenzial, die steigende Zahl von Minoramputationen zu begrenzen.
Schneller zum Facharzt
Karsten Glockemann, niedergelassener Chirurg aus Hannover und Betreiber einer Wundambulanz, findet seine Erfahrung durch die Studie bestätigt, dass die primäre Behandlung der Wundpatienten bei
den Hausärzten stattfindet. In der engeren Verzahnung mit ihnen und durch eine frühzeitigere Überweisung von Patienten mit kritischen Verläufen an Fachärzte würde ein wichtiger Hebel zu besseren
Ergebnissen in Gang gesetzt. „Die Menschen wissen einfach nicht, bei welchem Facharzt ihre Wunden richtig behandelt werden“, so Glockemann.
Abhilfe könnte dabei das in Deutschland neue Berufsbild des „Physician Assistent“ schaffen, das Thomas Wild, Chirurg und Ausbilder in dem Studiengang, vorstellte. Der „Physician Assistent“ könnte
in der Wundbehandlung künftig Ärzte im Versorgungsprozess entlasten, so Wild.
Ausbau von Wundzentren gefordert
Einig waren sich alle Beteiligten darin, dass spezialisierte Wundzentren gefördert und flächendeckend ausgebaut werden müssten. Patienten mit kritischen Verläufen könne dort diagnostisch und
therapeutisch durch interdisziplinäre sowie interprofessionelle Teams am besten geholfen werden. Um diese Zentren mit den Patienten und Hausärzten effizient zu verbinden, seien neue
telemedizinische Instrumente genauso zwingend notwendig wie eine leistungsgerechte Vergütung.
Verbesserung der Rahmenbedingungen notwendig
Raimund Koch, Leiter des Referats Gesundheitspolitik der P. Hartmann AG und Herstellervertreter im Fachgespräch, mahnte eine Änderung der bestehenden Rahmenbedingungen an. Daher müssen Vertreter
der Gesundheitspolitik intensiver als bisher mit der Situation chronischer Wundpatienten bekannt gemacht und in den Diskussionsprozess einbezogen werden. Gleichermaßen gilt es, die Hausärzte
besser einzubinden, da sie die Grundversorgung aller Wundpatienten gewährleisten und einen wesentlichen Schlüssel für einen Fortschritt in der Versorgung darstellen.
Daniela Piossek, Leiterin des Referats Krankenversicherungen im BVMed, lud dazu ein, den begonnenen Arbeitsprozess gemeinsam fortzusetzen und konkrete Maßnahmen bzw. Rahmenbedingungen zur
Verbesserung der Versorgungssituation zu erarbeiten. Die Gruppe setzt hierzu ihre Arbeit am 1. November 2016 fort.