Anaphylaxie-Risiko
Das Expertenforum Anaphylaxie fordert den Gemeinsamen Bundesausschuss sowie die gesetzlichen Krankenversicherer auf, die Aut-idem-Regelung für Adrenalin-Autoinjektoren grundsätzlich
auszusetzen.
Bereits heute haben allergische Erkrankungen das Ausmaß einer Volkskrankheit angenommen und das „Ende der Fahnenstange“ ist noch lange nicht erreicht. Damit steigt auch die Zahl der
Allergiepatienten, die einen allergischen Schock (Anaphylaxie) erleiden, der ohne die sofortige Selbstbehandlung mit einem Adrenalin-Autoinjektor (AAI) tödlich verlaufen kann. „Und genau in diese
Situation „platzt“ die Absichtserklärung, Rabattverträge für AAI, die von verschiedenen Herstellern angeboten werden, zu verhandeln. Diese würden den Apotheker verpflichten, gesetzlich
versicherten Patienten den im Rabattvertrag ihrer jeweiligen Kasse festgelegten Injektor anstelle des vom Arzt verordneten auszuhändigen“, so Prof. Dr. med. Ludger Klimek, Wiesbaden, Sprecher des
Expertenforums Anaphylaxie.
Möglicher Tod des Patienten wird in Kauf genommen
„Man muss es so drastisch ausdrücken: Hier wird der mögliche Tod von Patienten in Kauf genommen“, ergänzt PD Dr. med. Ernst Rietschel, Köln, Mitglied des Expertenforums. „Wir schulen unsere
Patienten sehr sorgfältig auf das jeweilige verordnete Autoinjektor-Modell, damit sie es im Ernstfall sicher anwenden können. Das würde durch eine Aut-idem-Regelung, bei der der vertraute
Injektor durch ein anderes Modell ausgetauscht würde, ad absurdum geführt.
Zusätzliche Verunsicherung des Patienten
Ein Tausch mit fatalen Folgen: Denn der in der Notfallsituation ohnehin schon verängstigte Patient bzw. Angehörige wird zusätzlich verunsichert, sodass im äußersten Fall der AAI nicht korrekt
oder gar nicht verwendet wird und ernste Gesundheitsschädigungen oder gar Todesfolge drohen“, so Rietschel weiter. „Das muss unter allen Umständen verhindert werden. Wir fordern daher den
Gemeinsamen Bundesausschuss sowie die gesetzlichen Krankenversicherer auf, die Aut-idem-Regelung für AAI grundsätzlich auszusetzen“, appelliert das Expertenforum Anaphylaxie
(www.anaphylaxie-experten.de) in einer aktuellen Veröffentlichung im Allergo Journal (2015; 24(4)).
Nahtloser Übergang der Symptome bis zum schweren Schockgeschehen
Die Beschwerden einer Anaphylaxie, einer potenziell lebensbedrohlichen allergischen Reaktion, können sehr vielgestaltig sein. Beachtenswert ist, dass die Symptome nahtlos von leichten
Hauterscheinungen über respiratorische, kardiovaskuläre oder gastrointestinale Beschwerden bis hin zu schwerem Schockgeschehen mit Herz-Kreislauf-Versagen übergehen können. Zur Behandlung der
Anaphylaxie empfehlen sowohl nationale als auch internationale Leitlinien die sofortige intramuskuläre Verabreichung von Adrenalin. Deshalb wird Patienten, die bereits eine anaphylaktische
Reaktion erlebt haben, ein Adrenalin-Autoinjektor zur sofortigen Selbstinjektion verordnet.
AAI ist nicht gleich AAI
Die meisten in Deutschland erhältlichen AAI unterscheiden sich weder in ihrem Wirkstoff (Epinephrin [Adrenalin]), in ihrer Dosierung (0,3 mg für Erwachsene und Jugendliche ab 30 kg Körpergewicht;
0,15 mg für Kinder ab 15 kg Körpergewicht) noch in ihrer Darreichungsform als Injektor und in der Packungsgröße. Zudem sind alle AAI zur Notfallbehandlung einer akuten allergischen Reaktion
zugelassen. Damit sind auf den ersten Blick die Voraussetzungen zum Austausch auf der gesetzlichen Grundlage gegeben. „Die Crux ist jedoch, dass sich die AAI hinsichtlich ihrer Funktionsweise und
der Nadellänge unterscheiden“, erläutert Anaphylaxie-Experte Dr. med. Lars Lange, Bonn.
Patientenschulung ist immer produktspezifisch
Dadurch ist eine produktspezifische Schulung bei der Verordnung erforderlich. „Man stelle sich nun vor, der Patient erhält anstelle seines vertrauten Injektors ein anderes Modell und aufgrund
falscher Anwendung gelingt es ihm nicht, seine lebensgefährliche Situation in den Griff zu bekommen“, so Lange. „Gerade in der Notfallsituation ist die exakte Handhabung der AAI besonders
entscheidend. Adrenalin-Autoinjektoren sind daher für die Aut-idem-Regelung grundsätzlich nicht geeignet“, sind sich alle Mitglieder des Expertenforums einig.