Schwarmforschung Hautkrebs
Die Genauigkeit von Hautkrebsdiagnosen kann verbessert werden, wenn die Bewertungen von mehreren Hautärzten zusammengeführt werden. Das haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei herausgefunden.
Bereits drei unabhängige ärztliche Meinungen erhöhen die Diagnosegenauigkeit gegenüber der Bewertung des besten Hautarztes, so eines der Ergebnisse der Studie, die erstaunlicherweise unter Mitwirkung eines Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei durchgeführt wurde.
Genauigkeit wächst mit der Anzahl der Bewertungen
Mit steigender Anzahl der Bewertungen lässt sich die Genauigkeit sogar noch weiter erhöhen. Mehr als zehn Bewertungen bringen jedoch keinen Zusatznutzen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts
für Bildungsforschung und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei untersuchten, wie sich die ärztliche Hautkrebsdiagnose mittels Methoden der Kollektiven Intelligenz, auch
Schwarmintelligenz genannt, verbessern lassen.
Von sozialen Strukturen wie Fischschwärmen lernen
„Wir erforschen, wie soziale Systeme in der Natur – etwa Fischschwärme – Informationen verarbeiten und wie dies genutzt werden kann, um menschliche Entscheidungsprozesse zu verbessern“, sagt Max
Wolf vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei.
Mehrheits- und Quorumsregel
In die Studie gingen die Ergebnisse zweier voneinander unabhängiger Datensätze ein. Insgesamt gaben 102 Dermatologen sowie medizinisches Fachpersonal 16.029 Bewertungen von Hautläsionen ab, die
ihnen hochauflösend auf einer Online-Plattform präsentiert wurden. Die Wissenschaftler verglichen die Trefferrate und die Rate an Fehldiagnosen der Einzelpersonen mit den Ergebnissen, die mittels
Entscheidungsregeln der Kollektiven Intelligenz – hier der Mehrheits- und Quorumsregel – zusammengefasst wurden. Während bei der Mehrheitsregel eine Diagnose als gesichert gilt, wenn die Mehrheit
der einschätzenden Personen zum gleichen Ergebnis kommt, muss bei der Quorumsregel eine festgelegte Anzahl an Personen die gleiche Einschätzung teilen.
Auch Anzahl der Fehldiagnosen konnte gesenkt werden
„Mit der Anwendung von Regeln der Schwarmintelligenz können Hautkrebsdiagnosen treffsicherer gestellt werden“, sagt Erstautor der Studie Ralf Kurvers vom Forschungsbereich „Adaptive Rationalität“
des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Auch die Zahl der Fehldiagnosen – also die Zahl an falsch-positiven und falsch-negativen Bewertungen – konnte gesenkt werden. Zwar bedeute dies für
die ärztliche Praxis zunächst einen Mehraufwand. Denn ein Arzt muss nicht nur die Hautläsionen seiner Patienten, sondern auch die der Patienten seiner Kollegen beurteilen. Durch computerbasierte
Unterstützung wie zum Beispiel der Präsentation und Bewertung der Hautläsionen auf Online-Plattformen oder durch entsprechende Software sei dieser Mehraufwand nach Ansicht der Studienautoren für
den einzelnen Mediziner aber handhabbar.
Wie beeinflusst die Expertenzusammensetzung die Diagnosegenauigkeit?
Dass dies ein zukunftsweisender Ansatz ist, zeigen dabei auch vergleichbare Ergebnisse einer jüngst von den Autoren veröffentlichten Studie, die sich mit dem Einsatz von Methoden der
Schwarmintelligenz beim Brustkrebs-Screening beschäftigt hat. In einem nächsten Schritt möchten die Wissenschaftler herausfinden, wie eine unterschiedliche Zusammensetzung der befragten Experten
die kollektive Diagnosegenauigkeit beeinflusst.
Kurvers, R. H. J. M, Krause, J., Argenziano, G., Zalaudek, I., & Wolf, M. (2015). Detection accuracy of collective intelligence assessments for skin cancer diagnosis. JAMA Dermatology, 151(12), 1–8. doi:10.1001/jamadermatol.2015.3149