Titelthema März 2016

Praktischer Umgang mit Bewertungsportalen

Frei nach Schiller: „Ein jeder gibt den Wert sich selbst“

Über die Schwierigkeiten, unfreundliche Aussagen in Arztbewertungsportalen wieder loszuwerden, berichten die Münchner Rechtsanwälte Dr. rer. nat. Gwendolyn Gemke und Felix Schiffner.

Der Trend der vorangegangenen Jahre hält an – zunehmend mehr Patienten suchen sich ihre Ärzte im Internet mithilfe von ärztlichen Bewertungsportalen. Die unterschiedlichen Portalbetreiber sind bei einer Internetsuche über die gängigen Suchmaschinen zumeist besser platziert als der jeweilige Arzt mit seiner Praxishomepage. Auch bieten einige Bewertungsportale zusätzliche attraktive Features, wie eine Online-Terminvergabe an. Der Patient kann sich auf den Bewertungsportalen rasch einen Überblick verschaffen und sich schnell über den jeweiligen Arzt informieren. Und wie so oft im Leben zählt dabei der erste Eindruck. Jeder Arzt hat daher ein steigendes Interesse, in den einschlägigen Bewertungsportalen einen positiven Gesamteindruck zu hinterlassen. Umso ärgerlicher ist es, wenn negative Bewertungen – insbesondere wenn diese unwahre Inhalte haben oder von der Konkurrenz verfasst wurden – ein völlig falsches Bild von der Praxis zeichnen.
Neue Brisanz wurde dieser Problematik verliehen, als der Bundesgerichtshof im Jahr 2014 entschied (BGH vom 23. 09. 2014, Az. VI ZR 358/13), dass der Arzt keinen Anspruch auf vollständige Löschung aus einem Bewertungsportal mit seiner Praxis hat. Umso wichtiger ist es heute, zu wissen, mit welchen rechtlichen Mitteln man sich gegen negative Inhalte in Bewertungsportalen zur Wehr setzen kann. Dabei ist generell zwischen zwei Zielrichtungen zu unterscheiden:
Zum einen kann sich der Arzt – soweit Anhaltspunkte vorliegen – direkt gegenüber dem jeweiligen Patienten, der die Bewertung abgegeben hat, zur Wehr setzen. Zum anderen kann der Arzt einen Unterlassungsanspruch gegen den Portalbetreiber geltend machen.In beiden Fällen ist es jedoch Voraussetzung, dass die jeweilige Bewertung Inhalte aufweist, die nicht mehr von der Meinungsäußerungsfreiheit des bewertenden Patienten gemäß Art. 5 des Grundgesetzes gedeckt sind.

 

Dr. jur. Gwendolyn Gemke und Felix Schiffner Fotos: privat

 

Welche Bewertungen sind unzulässig?


Um festzustellen, ob eine Bewertung unzulässig ist, ist zu prüfen, ob die Äußerungen noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Eine Abwägung zwischen den beiden widerstreitenden Grundrechten der Meinungsfreiheit des Patienten und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arztes wird hingegen in den allermeisten Fällen nicht ausreichen, um eine Bewertung erfolgreich zu entfernen. Hintergrund ist, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland einen extrem hohen Schutz genießt und das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arztes, welches zumeist nur in der Sozialsphäre (der beruflichen Tätigkeit des Arztes) betroffen ist, hinter dem Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit zurücktreten muss.
Wo sind also die rechtlichen Grenzen einer „Meinung“ des bewertenden Patienten?
Eine Meinungsäußerung oder Werturteil ist immer daran zu erkennen, dass sie ein Kennzeichen des Meinens und Dafürhaltens trägt (z. B. ich denke, ich meine, ich habe empfunden, ich glaube etc.). Die Richtigkeit oder Unrichtigkeit ist damit ausschließlich eine Sache der persönlichen Überzeugung und ist keinem objektiven Beweis zugänglich. Derartige Äußerungen sind stets zulässig. Unzulässig sind hingegen Äußerungen, die unwahre Tatsachenbehauptungen, Schmähkritik, Formalbeleidigungen oder Verleumdungen enthalten. Eine unwahre Tatsachenbehauptung ist in Abgrenzung zur Meinungsäußerung daran zu erkennen, dass sie einem Beweis zugänglich ist. Die Schmähkritik hingegen enthält wertende Aussagen, die maßgeblich dazu dienen, den bewerteten Arzt herabzuwürdigen.
Zur Veranschaulichung einige Beispiele aus der Praxis:
„Es geht dem Arzt und dem Personal der Ärzte nur darum, individuelle freiwillige Leistungen zu verkaufen.“
Hierbei handelte es sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung. Die Aussage ist grundsätzlich einem Beweis zugänglich. Der bewertende Patient unterstellte in dieser Aussage dem Arzt, dass er eine Berufspflichtverletzung begeht, und entgegen den gesetzgeberischen Vorgaben über IGEL-Leistungen nicht nur auf Verlangen des Patienten informiert, sondern diese anpreist und „verkauft“. Die Äußerung war daher unzulässig.
„Schlechte Organisation, es scheint, es stehe das finanzielle Interesse im Vordergrund.“
In der Zielrichtung ist diese Aussage mit der vorstehenden nahezu identisch. In beiden Aussagen wird dem Arzt vorgeworfen, gewinnmaximiert zu arbeiten. In letzterer ist die Aussage jedoch durch den Passus „es scheint“ gekennzeichnet. Dadurch brachte der bewertende Patient zum Ausdruck, dass dies sein subjektiver Eindruck beim Praxisbesuch war, jedoch keine unumstößliche Tatsache ist. Eine derartige Bewertung wäre – wenngleich dennoch angreifbar – zulässig.
„Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits in der XXX Woche schwanger und die Antibiotika haben sich verheerend auf den Fötus ausgewirkt! Ich habe mein Kind verloren.“
Dem Arzt wurde hier ein gravierender Behandlungsfehler vorgeworfen. Zugleich wurde mit dieser Aussage ein schwerer strafrechtlicher Vorwurf gegen den behandelnden Arzt erhoben. Es handelte sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung, die dem Beweis zugänglich ist. Gleichzeitig erfüllt so eine Aussage jedoch auch den Straftatbestand der üblen Nachrede bzw. der Verleumdung. Auch deshalb war eine Entfernung zwangsläufig.
Doch auch bei weniger gravierenden Äußerungen ist es häufig vielversprechend, diese anzugreifen. Ansatzpunkte, die zu einer Löschung führen können, sind häufig auch viel banaler: So können Widersprüchlichkeiten innerhalb einer Bewertung, die Bewertung zu einem Arzt, obwohl der Patient von einem anderen Arzt derselben Praxis behandelt wurde, die Abgabe einer Bewertungen für einen Dritten oder auch Bezugnahmen auf Bewertungen anderer Patienten zur Unzulässigkeit einer Bewertung führen. Legt man diese Widersprüchlichkeiten und Ungenauigkeiten ordentlich dar, gelingt meist die Entfernung der entsprechenden Passagen.
In diesem Zusammenhang ist auch der Umfang des Löschungsanspruchs von Interesse. In einigen Bewertungen sind nur einige Passagen unzulässig. Es kommt dann darauf an, die Bewertung derart anzugreifen, dass auch die grundsätzlich zulässigen Passagen im Kontext der Unzulässigen nicht bestehen bleiben können. Vergleichbar hat auch das Oberlandesgericht München in einem Urteil vom 17. 10. 2014 entschieden (Az. 18 W 1933/14). Zuletzt war ein Bewertungsportal dazu übergegangen, den Text einer unzulässigen Bewertung zu entfernen, die dahinterstehende Note jedoch beizubehalten. Nach Auffassung des OLG München kann jedoch ein Werturteil (Note) eine zugrunde liegende Feststellung (Textbewertung) derart widerspiegeln, dass beide zusammen stehen und fallen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass im streitigen Fall auch die Note zu entfernen war und nicht allein stehen bleiben durfte.


Rechtsschutz gegen negative Bewertungen


Ob man gegen den Patienten direkt vorgeht oder sich aber an den Portalbetreiber wendet, ist meist schon durch die jeweilige Bewertung selbst vorgegeben. Es kommt schließlich darauf an, ob die Bewertung anonym abgegeben wurde, oder ob sich aus der Bewertung direkt oder indirekt ermitteln lässt, welcher Patient diese abgegeben hat. Den Regelfall bildet die Abgabe einer anonymen Bewertung.


Rechtsschutz gegenüber dem Portalbetreiber


Schon im Jahr 2009 hat der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung ein Kontrollverfahren zur Überprüfung von Bewertungen herausgebildet. Zentrales Element dieses Vorgehens ist die Beanstandung der jeweiligen negativen Bewertung. Die unterschiedlichen Anbieter halten dafür verschiedene Mittel bereit. Bei manchen kann man die Bewertung kommentieren oder aber über die Funktion „Bewertung melden“ die Überprüfung initiieren. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass der Klick auf eine Meldefunktion allein meist nicht zielführend ist. Sinnvoller ist es, sich von Anfang an mit einer präzisen Darlegung der tatsächlichen Abläufe und einer konkreten Herausarbeitung der beanstandeten Passagen schriftlich an den Portalbetreiber zu wenden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes ist diese Darlegung sodann vom Portalbetreiber an den Patienten weiterzuleiten. Dieser hat daraufhin zwei Wochen Zeit, zu dieser Beanstandung Stellung zu nehmen. Erfolgt keine Rückmeldung durch den Patienten, führt dies direkt zur Löschung der Bewertung. Erfolgt eine Rückmeldung des Patienten, geht die Angelegenheit in eine zweite Darlegungsrunde, in der erneut argumentativ gearbeitet werden muss. Erst wenn nach dieser Runde noch keine Löschung erfolgt ist, mündet die Angelegenheit in einem gerichtlichen Verfahren.
Hierbei muss die Zielsetzung für den Arzt immer die außergerichtliche Erledigung sein.
Ein gerichtliches Verfahren ist zeit­intensiv und birgt immer Risiken, da ein gerichtliches Urteil über eine Bewertung eine reine Einzelfallentscheidung ist, in der die unterschiedlichen Interessen gegeneinander abgewogen werden. Die Erfolgsaussichten sind daher schwer absehbar. Um restlose Rechtssicherheit zu erlangen, müsste für eine rasche Entfernung der Bewertung sowohl ein einstweiliges Verfügungsverfahren als auch ein Hauptsacheverfahren auf Unterlassung durchgeführt werden. Dieser Verfahrensweg zieht sich nicht nur über mehrere Monate, sondern bringt auch nicht unerhebliche Kosten mit sich.
Zielführender ist es daher, sich bereits von Beginn an anwaltlichen Rat zu suchen, um eine Abschreckungswirkung gegenüber dem Patienten zu erzielen. Ferner kann von Beginn an abgeschätzt werden, ob ein Vorgehen überhaupt erfolgversprechend ist.


Rechtsschutz gegenüber dem Patienten


Hat der Patient ausnahmsweise die Bewertung nicht anonym abgegeben oder kann aufgrund der detailreichen Angaben ermittelt werden, um welchen Patienten es sich handelt, eröffnet sich für den Arzt das Vorgehen mit einer anwaltlichen Abmahnung.
Dabei handelt es sich um ein direkt an den Patienten adressiertes Schreiben, das sein rechtswidriges Verhalten kurz darstellt und ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordert. Die Unterlassungserklärung enthält für den Patienten sowohl die Verpflichtung zur Entfernung des bestehenden Eintrages als auch das Verbot eine Äußerung gleichen Inhalts erneut zu tätigen. Akzeptiert der Patient diese Unterlassungserklärung, ist er zum einen verpflichtet die Kosten des beauftragten Rechtsanwaltes zu tragen, zum andern verwirkt er eine nicht unerhebliche Vertragsstrafe, wenn er trotz des Verbotes die unzulässigen Äußerungen gleichen Inhalts wiederholt. Verweigert sich der Patient der Abgabe der Unterlassungserklärung, steht auch hier der Weg in ein gerichtliches Verfahren offen.
Lässt sich der Patient anhand der Bewertung nicht identifizieren, besteht hingegen kein Auskunftsanspruch des Arztes gegen den Portalbetreiber auf Offenlegung der Patientendaten. Dies hat im Jahr 2014 der Bundesgerichtshof eindeutig klargestellt (Urteil vom 01. 07. 2014, Az. VI ZR 345/13). Gibt der Patient also anonym eine Bewertung ab, kann sich der Arzt ausschließlich an den Portalbetreiber halten. Dieser ist dann nicht verpflichtet, die Daten des Patienten offenzulegen. Ein weiteres Mal unterliegt hier das Persönlichkeitsrecht des Arztes dem Recht des Patienten auf Anonymität.
Anderes gilt nur dann, wenn die Äußerung des Patienten Beleidigungen oder Verleumdungen enthält, also strafrechtlich relevante Inhalte. Dem Arzt steht darauf die Möglichkeit offen, die Äußerungen des Patienten zur Anzeige zu bringen. Hierzu ist sich an die Strafverfolgungsbehörden zu wenden, die bei einem hinreichenden Verdacht ein Ermittlungsverfahren einleiten. Im Rahmen einer Akteneinsicht im Ermittlungsverfahren können dann die Patientendaten erlangt werden.


Ausblick


Auch aktuell beschäftigt sich der Bundesgerichtshof wieder mit den ärztlichen Bewertungsportalen (Az. VI ZR 34/15). Im Zentrum dieses Rechtsstreits steht die Reichweite des Rechts des Patienten auf Anonymität im Netz. Eine Entscheidung ist noch nicht ergangen.
Hintergrund ist, dass sich ein Arzt gegen eine negative Bewertung gegenüber dem Portalbetreiber zur Wehr gesetzt hatte. Der Portalbetreiber hatte die Stellungnahme des Arztes an den Patienten zur Kommentierung weitergegeben. Nach der Stellungnahme des Patienten hat das Portal entschieden, die Bewertung wieder zu veröffentlichen, da es den Angaben des Patienten Glauben schenkte. Dieser hatte jedoch kaum Angaben zum Behandlungsablauf gemacht. Für den Arzt war es daher argumentativ eigentlich nicht möglich, einen gegenteiligen Sachverhalt darzustellen.
Der Bundesgerichtshof hat daher nun darüber zu entscheiden, ob der Patient in einem Verfahren weiterführende Angaben dazu machen muss, wie die Behandlung vonstattenging, damit der Arzt überprüfen kann, ob dies der Wahrheit entspricht und gegebenenfalls mit einem Gegenbeweis aufwarten kann.
Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof erneut die Anonymität eines bewertenden Patienten stärkt oder aber nach einem Weg sucht, wie geprüft werden kann, ob der Patient tatsächlich beim jeweiligen Arzt war und seine Benotung deswegen hingenommen werden muss. Von enormer Bedeutung ist dieser Streit in letzter Zeit deshalb geworden, da immer mehr Anbieter auf den Markt drängen, die sowohl negative als auch positive Bewertungen gegen Entgelt in den Portalen platzieren. Die Entscheidung des Bundesgerichthofs, die für den 01. 03. 2016 angekündigt ist, kann daher mit Spannung erwartet werden.                                       

Sozietät Hartmannsgruber Gemke Argyrakis & Partner Rechtsanwälte
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Dr. jur. Gwendolyn Gemke,
Felix Schiffner
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