Der allergologische Notfall/Anaphylaxie
In der Notfalltherapie der Anaphylaxie hat sich ein strukturiertes, am führenden Leitsymptom der Anaphylaxie orientiertes Handeln bewährt. Für die aktuelle AWMF-Leitlinie zur Akutttherapie der Anaphylaxie wurde ein Algorithmus als Leitfaden zur Bewältigung einer Anaphylaxie entwickelt. Dr. med. Jörg Fischer, Tübingen, fasst zusammen.
Allgemein ist bei einer Anaphylaxie zu prüfen, ob eine weitere Allergenzufuhr gestoppt werden kann. Die ist v.a. im Fall von Infusionen möglich. Resorptionsverhindernde Maßnahmen, wie beispielsweise das Abbinden einer Extremität bzw. die subkutane Umspritzung eines lokalen Allergendepots mit Adrenalin, gelten heute als obsolet. Ein Handeln mit mehreren Helfern und frühzeitige Anforderung weiterer Hilfe (z.B. Notarzt-Alarmierung) hat sich bewährt. Im Rahmen einer Basisuntersuchung sind das Vorhandensein von Lebenszeichen (spontane Bewegungen, Atmung), der Puls peripher an Arteria radialis (tastbarer Puls bedeutet systolischer Druck >70 mmHg), die Atmung (Sprechdyspnoe, auf Distanz hörbares Giemen oder Stridor) zu beurteilen. Des Weiteren sind leicht einsehbare Hautareale sowie Schleimhäute zu inspizieren und weitere Beschwerden (Übelkeit, Kopfschmerzen, Abdominalkrämpfe) zu erfragen. Kinder können oft initial auf dem Arm der Eltern untersucht werden. Ziel ist, eine adäquate Untersuchungs- und Behandlungsatmosphäre durch Beruhigung des Kindes und der Eltern zu schaffen. Bei Kleinkindern sind die Untersuchung der Mundhöhle und die Auskultation häufig schwierig. Eine Irritation mit dem Mundspatel kann eine Obstruktion der oberen Atemwege verstärken. Als Sofortmaßnahme ist eine symptomorientierte Lagerung vorzunehmen. Eine Flachlagerung stellt die Grundstrategie dar. Aufrichten und körperliche Anstrengung sind wegen der Gefahr eine Aggravation zu vermeiden. Bei eingeschränkter Bewusstseinslage in präklinischer Situation ist die stabile Seitenlage anzuwenden. Eine Hochlagerung der Beine ist bei einer eingeschränkten hämodynamischen Situation sinnvoll. Bei führender Atemwegssymptomatik ist eine halbsitzende Position angezeigt.
Management von Kreislaufreaktionen
Im Falle eines Herz-Kreislaufstillstandes im Rahmen der Anaphylaxie ist umgehend eine kardio-pulmonale Reanimation mit Herzdruckmassage und Beatmung im Verhältnis von 30:2 zu beginnen. Soweit verfügbar, ist ein automatischer Defibrillator anzulegen. Die medikamentöse Therapie erfolgt mit Adrenalin im Bolus, 1 mg alle drei bis fünf Minuten oder per Dauerinfusion. Eine Sicherung der Atemwege mit suffizienter Oxygenierung sowie eine forcierte Volumensubstitution sind wichtig. Bei Anaphylaxie mit führender Herz-Kreislaufreaktion ist insbesondere in Situationen in denen noch kein intravenöser Zugang besteht als Sofortmaßnahme die intramuskuläre Injektion von Adrenalin empfohlen. Die Sauerstoffgabe, Volumensubstitution und ggf. intramuskulärer oder intravenöser Gabe von Adrenalin und/oder anderen Katecholaminen sind die primären Maßnahmen.
Atemwegsmanagement
Bei Anaphylaxien mit führender Obstruktion im Bereich der oberen oder unteren Atemwege hat sich eine kontinuierliche Inhalation von Katecholaminen (Adrenalin) oder ß-2-Sympathomimetika (Salbutamol, Terbutalin) bewährt. Im Falle eines unzureichenden therapeutischen Ansprechens ist als Therapieeskalation ein ß2-Sympathometikum indizierbar (Terbutalin s.c. oder Reproterol i.v.).
Management von Haut- und Abdominalsymptomen
Bei Anaphylaxien mit führender Hautmanifestation besteht die Primärtherapie in der intravenösen Applikation H1-blockierender Antihistaminika (Dimetinden) sowie Kortikosteroide (Dosierung im Erwachsenenalter 250 mg im Regelfall und 500 bis 1000 mg Prednisolonäquivalent in bedrohlichen Situationen). Bei Anaphylaxien mit zusätzlicher abdomineller Symptomatik können, ergänzend zur Gabe eines Antihistaminikums, Antiemetika und Nauseatika verabreicht werden.
Überwachungsmanagement
Eine Überwachung bis zur sicheren anhaltenden Remission ist erforderlich. Eine stationäre Überwachung ist daher bei allen schweren Reaktionen (> Grad II nach Ring/Messmer) indiziert. Bei Anaphylaxien mit bedrohlicher Allgemeinreaktion ist eine intensivmedizinische Überwachung sinnvoll.
Langzeitmanagement
Bei Entlassung sollte ein Notfallset zur Selbstmedikation verordnet werden. Dies sollte einen Adrenalin-Autoinjektor, ein Antihistaminikum und ein GlukoKortikoid sowie bei Asthma einen Bronchodilatator umfassen. In der Handhabung eines Notfallsets, insbesondere des Adrenalin-Autoinjektors ist durch Schulung einzuweisen. Die Vorstellung bei einem Allergologen zur weiteren Abklärung sowie langfristigen Therapie ist zu empfehlen. Für akkreditierte Institutionen besteht die Möglichkeit der Meldung von Anaphylaxien in das nationale Anaphylaxie-Register. Für eine vertiefende Patientenschulung werden von der Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie – Training und Indikation (AGATHE e. V.) Schulungen angeboten. Zur Information von Patienten über das Internet stehen verschiedene vertrauenswürdige Seiten zur Verfügung (z. B. www.daap.de oder www.anaphylaxieexperten.de).