Spezial: Deutschsprachige Mykologische Gesellschaft e. V.

Invasive Pilzinfektionen in der Pädiatrie – Risiken und Chancen

Vom 8. bis 10. September 2016 fand in Essen die 50. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft e. V. (DMykG) statt.
Gabriele Henning-Wrobel, Erwitte, berichet für DERMAforum.

Prof. Dr. med. Andreas Groll, Münster (Foto: ghw)
Prof. Dr. med. Andreas Groll, Münster (Foto: ghw)

Mit der erkrankungs- und therapiebedingten Abwehrschwäche aufgrund einer onkologischen Erkrankung steigt das Risiko für invasive Pilzinfektionen bei Kindern und Jugendlichen ebenso wie bei betroffenen erwachsenen Patienten. Die Komplikation einer Pilzinfektion kann durch prophylaktische Maßnahmen, frühzeitige Einleitung einer spezifischen Diagnostik und rechtzeitige antimykotische Therapien deutlich reduziert werden. Prof. Dr. med. Andreas Groll ist Vorsitzender der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft e. V., Fortbildungs- und Leitlinienkoordinator der Paul-Ehrlich-Gesellschaft, und ltd. Oberarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, am Universitätsklinikum in Münster.


Prognose bei Kindern günstig


„Grundsätzlich sind Kinder und Jugendliche genauso anfällig für Pilzinfektionen wie Erwachsene“, sagt Groll und ergänzt: „Die Prognose der onkologischen Grunderkrankung, die mit einer Abwehrschwäche einhergeht, ist bei Kindern aber in aller Regel günstiger.“
Damit ist der Anspruch hoch, die Therapiekomplikationen wie Infektionen nicht zum limitierenden Faktor werden zu lassen. Das Augenmerk liegt sehr stark darauf, Pilzinfektionen frühzeitig zu entdecken bzw. zu vermeiden.
Die häufigsten invasiven Pilzinfektionen werden durch Candida- oder Aspergillus-Spezies hervorgerufen. Betroffen sind überwiegend Risikogruppen wie unreife Frühgeborene, Kinder und Jugendliche in der Intensivmedizin, und Patienten mit hämatologischen Neoplasien bzw. nach Knochenmarktransplantation. Bei Frühgeborenen und intensivmedizinisch behandelten Patienten stehen mit zentralen Venenkathetern assoziierte Blutstrom-Infektionen durch Candida im Vordergrund.
Bei onkologischen Patienten mit hämatologischen Neoplasien oder nach Knochenmarktransplantation überwiegen die Fadenpilze. Seltene Erreger kommen in Europa zwar kaum vor, dennoch gilt es, diese Möglichkeit zumindest im Auge zu behalten und in jedem Fall eine umfassende mikrobiologische Diagnostik zu veranlassen.


Antimykotische Therapie – so früh wie möglich


Wenn bei einem Hochrisikopatienten der Verdacht auf eine invasive Pilzinfektion besteht, muss umgehend eine adäquate antimykotische Therapie eingeleitet werden. Parallel erfolgen diagnostische Maßnahmen wie bildgebende Verfahren und mikrobiologische Untersuchungen, deren Ergebnisse innerhalb weniger Stunden vorliegen können. Die Entscheidung für weitere invasive Diagnostik wie z. B. eine BAL (broncho-alveoläre Lavage) fällt situationsbezogen und hängt vom Zustand des Patienten ab. Da Risikopatienten häufig bereits eine antimykotische Prophylaxe erhalten, geht es bei diesen Patienten darum, eine mögliche Durchbruchsinfektion zu diagnostizieren bzw. sicherzustellen, dass die Blutspiegel des prophylaktisch verabreichten Antimykotikums ausreichend sind.
Ein therapeutisches Drugmonitoring wird empfohlen, wie in den aktuellen ECIL-6-Empfehlungen detailliert beschrieben. Wenn die Blutspiegel ausreichend sind, Blutkulturen steril bleiben, das CT unauffällig ist und es keinen weiteren Pilznachweis bzw. Verdacht gibt, kann trotz persistierenden Fiebers die laufende Prophylaxe fortgesetzt werden, d. h. ein Wechsel des Regimes ist dann nicht zwingend notwendig. Die Entscheidung hierzu liegt allerdings im individuellen Ermessen, weil es keine entsprechenden Studiendaten dazu gibt.


Antimykotika – welche Dosierung bei Kindern?


Bezüglich der Antimykotika sind wir in einer vergleichsweise komfortablen Situation und haben Handlungsspielraum, weil die Mehrzahl der wichtigen Substanzen auch für Kinder zugelassen ist. Dies sind liposomales Amphotericin B, Fluconazol, Voriconazol (ist ab dem 2. Lebensjahr zugelassen), Caspofungin und Micafungin (für alle Altersgruppen zugelassen). Die Dosierungen entsprechen zum Teil denen der Erwachsenen (liposomales Amphotericin B) oder es gibt spezielle Dosierungen für die verschiedenen pädiatrischen Altersstufen, die den entsprechenden Fachinformationen entnommen werden können. Die in der Pädiatrie zugelassenen Standard-Prophylaxe-Antimykotika wie Voriconazol und Fluconazol können oral verabreicht werden und eignen sich deshalb auch für die ambulante Versorgung der Patienten für die Phasen zwischen den stationär durchgeführten Chemotherapie-Zyklen.


Mehr Antimykotika für Kinder


Als Facharzt für Pädiatrie, Vorsitzender der DMykG e. V. und Tagungsleiter der MYK 2017 in Münster, sieht Groll die weitere Entwicklung von Antimykotika für die sichere Anwendung bei Kindern und Jugendlichen als ein wichtiges Ziel an. Teilweise dauert es fünf bis zehn Jahre, bis die Dosisfindung abgeschlossen ist und ein bei Erwachsenen zugelassenes Medikament auch in der Pädiatrie zugelassen wird. So kommen innovative Medikamente häufig nicht rasch genug unseren pädiatrischen Patienten zugute. Daneben gibt es zu wenig Phase-IV-Programme, um im größeren Rahmen eine Beurteilung von Wirksamkeit und Verträglichkeit unter Alltagsbedingungen zu erhalten.


Am besten gar keine Mykose


Als Maßnahmen zur Vermeidung von Katheter-assoziierten Infektionen existieren etablierte Handlungsanleitungen für die Anlage und den Umgang mit ZVKs. Damit kann bezüglich der Vermeidung nosokomialer Blutstrominfektionen nachgewiesenermaßen viel erreicht werden. Bezüglich der Fadenpilze gelten Bauarbeiten und die damit verbundene Ausbreitung von Aspergillus-Sporen als besonderes Risiko für immungeschwächte Patienten. Aber auch außerhalb dieser speziellen Situation sind wir ständig Sporen von Fadenpilzen ausgesetzt. Hochrisikopatienten mit akuten Leukämien oder solche nach Knochenmarktransplantation, sind daher in jedem Fall Kandidaten für eine medikamentöse Prophylaxe mit Wirksamkeit gegenüber Fadenpilzen. Wichtig ist es, das Risiko des individuellen Patienten zu beachten und auch bei Infektionsverdacht rechtzeitig und zielgerichtet vorzugehen.
„Hohen Fortbildungsbedarf sehe ich zum Thema Pilzinfektionen in der Pädiatrie. Wir bemühen uns daher intensiv um die Platzierung mykologischer Themen auf nationalen Kongressen und Veranstaltungen. Dieses spezielle Thema wird auch zur MYK 2017 in Münster besondere Berücksichtigung in der Programmgestaltung finden“, so Groll.

Weitere Informationen zur Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft e. V. und zur MYK 2017 in Münster unter www.dmykg.de und www.dmykg-kongress.de