Spezial Kinderdermatologie: Komorbidität bei Kindern mit entzündlichen Dermatosen
Dr. med. Arnd Jacobi und Prof. Dr. med. Matthias Augustin vom Competenzzentrum Versorgungsforschung in der Dermatologie (CVderm), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, stellen ihre Datenanalyse zur Prävalenz entzündlicher Hauterkrankungen bei Kindern vor.
Wenn Kinder unter entzündlichen Dermatosen leiden, handelt es sich dabei oftmals um die Psoriasis und das Atopische Ekzem. Beide Dermatosen zählen zu den häufigsten Hauterkrankungen im
Kindesalter und ihre Behandlung somit zu den großen Herausforderungen in jeder Hautarztpraxis.
Im Vergleich zur Psoriasis bei Erwachsenen zeigen Kinder eine größere familiäre Häufung der Psoriasis. Oft sind als Triggerfaktoren Schübe durch Stress, Traumata und bakterielle Infektionen
erkennbar. Hierbei ist besonders an Streptokokkeninfekte im Rahmen einer Tonsillitis zu denken. Die juvenile Psoriasis betrifft oft die Kopfhaut und das Gesicht. Auch die Streckseiten der
Extremitäten können im Verlauf betroffen sein. Weiterhin weisen Kinder häufiger eine exanthematische, kleinfleckige Psoriasisform auf, die Zeichen einer akuten Triggerung durch die genannten
Faktoren darstellt.
Das atopische Ekzem des Kindesalters ist durch den charakteristischen Juckreiz gekennzeichnet, der vor allem ab dem dritten Lebensmonat auftritt. Bei Säuglingen sind hauptsächlich der Kopf und
die Gesichtshaut betroffen. Es zeigen sich dann in der Regel nässende teilweise bakteriell superinfizierte Wangenekzeme. Auch der Körperstamm kann die klassische Ekzemmorphe aufweisen. Im
weiteren Krankheitsverlauf sind dann bevorzugt die großen Beugen der Extremitäten betroffen. Im Jugendlichen- und jungen Erwachsenenalter zeigt sich das Atopische Ekzem schließlich vermehrt an
Hals und Gesicht sowie an den Händen und Füßen. Bei der Analyse von Daten einer deutschen gesetzlichen Krankenkasse (Barmer GEK) mit 9,2 Millionen Versicherten wurden die Daten von 1,6 Millionen
Versicherten extrahiert. Dabei wurden alle Patienten bis zu einem Alter von 18 Jahren, die im Laufe des Jahres 2009 registriert waren, einer Analyse unterzogen, was zu einer Studienkohorte von
n=293.181 Kindern führte. Eine Anzahl von n=1.313 Kindern hatte die ICD-10-Diagnose einer Psoriasis und die Gesamtprävalenz bis zum Alter von 18 Jahren betrug 0,45 %. Die Prävalenzraten stiegen
hierbei fast linear von 0,13 % im Alter von bis zu zwei Jahren auf 0,67 % im Alter von 14 bis 18 Jahren. Somit zeigte sich, dass die Psoriasis auch im Kindes- und Jugendlichenalter eine häufige
Erkrankung darstellt. Dies ist beim Atopischen Ekzem bereits bekannt und wird von unserer Datenauswertung eindrucksvoll unterstrichen. Bei n = 30.354 Kindern (10,35 %) wurde ein Atopisches Ekzem
diagnostiziert. Hier sanken die Prävalenzraten mit zunehmendem Alter von 17,13 % im Alter von bis zu zwei Jahren auf 7,3 % im Alter von 14 bis 18 Jahren.
Prof. Dr. med. Matthias Augustin und Dr. med. Arnd Jacobi
Unterschiede in der Komorbidität bei Kindern mit Psoriasis und Atopischem Ekzem
Ähnlich wie bei erwachsenen Patienten leiden Kinder dieser beiden Hauterkrankungen besonders unter Begleiterkrankungen. Diese zusätzlich zur Dermatose auftretenden Erkrankungen (Komorbidität)
stellen in diesem sensiblen Lebensalter eine besondere Belastung für die Betroffenen dar. Gerade die Probleme bei ersten Beziehungen in der Pubertät oder auch die Stigmatisierung durch die
sichtbaren Hautveränderungen selbst führen oftmals zu Isolation und erheblichen psychischen Belastungen, die ein Leben lang anhalten können, verbunden mit einem ausgesprochen starken Gefühl der
Hilflosigkeit.
Interessante Ergebnisse bei der Auswertung der Komorbidität bei Kindern
Um die Komorbiditätsmuster bei Kindern mit Psoriasis und Atopischem Ekzem genauer zu charakterisieren, wurden wiederum die Daten der gesetzlichen Krankenkasse analysiert. Dabei konnten
interessante Ergebnisse gewonnen werden. Bei Kindern mit Psoriasis wurden folgende Begleiterkrankungen als die häufigsten ermittelt: allergische Rhinitis (15,16%), bronchiales Asthma (12,19%) und
Adipositas (7,08%). Demgegenüber waren beim Atopischem Ekzem die folgenden Begleiterkrankungen besonders häufig vertreten: allergische Rhinitis (19,64%), chronische Bronchitis (19,04%) und
Impetigo (3,5 %).
Unterschiedliche und sehr spezifische Komorbiditätsmuster
Um eine weitere Differenzierung zu ermöglichen, wurden die Prävalenzraten von Kindern mit Psoriasis (a) zu allen anderen Kindern ohne Psoriasis (b) und zu jenen mit Atopischem Ekzem (c)
verglichen. Dabei fanden sich folgende erhöhte Prävalenzraten für die einzelnen Begleiterkrankungen: Adipositas (a: 7,08%; b: 3,61%; c: 4,11%), Hyperlipidämie (1,14%; 0,64%; 0,71%), arterielle
Hypertonie (0,9%; 0,44%; 0,40%), Diabetes (0,61%; 0,31%; 0,34%), Iridozyklitis (0,38%; 0,04%; 0,06%), Arthritis (0,53%; 0,32%; 0,33%) und Depression (1,29%; 0,77%; 0,83%).
Die Analyse zeigt dabei eindrucksvoll, dass Kinder mit Psoriasis und Atopischem Ekzem unterschiedliche und sehr spezifische Komorbiditätsmuster aufweisen. Während bei der Psoriasis die
metabolische Komorbidität dominiert, sind es beim Atopischem Ekzem Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis.
Erhöhte Prävalenzraten bei Kindern und Jugendlichen alarmierend
Es ist alarmierend, dass bei Kindern und Jugendlichen mit Psoriasis bereits erhöhte Prävalenzraten für Adipositas, Hyperlipidämie, arterielle Hypertonie und Diabetes auftreten, zumal diese mit
einem erhöhten Herzinfarktrisiko einhergehen können.
Weiterhin ist es besorgniserregend, dass auch psychische Begleiterkrankungen wie Depressionen vermehrt auftreten, zumal diese Erkrankungen mit einer erhöhten Suizidgefahr assoziiert sein
können.
Gezielt den individuellen Bedürfnissen der kleinen Patienten gerecht werden
Bei der frühzeitigen Erkennung und Behandlung beider Dermatosen und ihrer Begleiterkrankungen kommt dabei dem Dermatologen eine besondere Rolle als „Gatekeeper“ zu.
Er sieht die Patienten häufig als Erster, wenn sie sich mit Hauterscheinungen bei ihm in der Praxis oder Klinik vorstellen. Hier ist es besonders wichtig, bei Kindern mit Psoriasis und Atopischem
Ekzem auf das mögliche Vorhandensein von Komorbidität zu achten und im Rahmen einer interdisziplinären Zusammenarbeit im Bedarfsfall Kollegen hinzuzuziehen.
Die Aufgabe der Versorgungsforschung wird es sein, in diesem Zusammenhang den interdisziplinären Austausch im Rahmen einer Optimierung der Prozesse zu fördern und eine enge Zusammenarbeit
zwischen den verschiedenen Facharztgruppen, insbesondere mit den Haus- und Kinderärzten, aber auch mit anderen Fachrichtungen zu ermöglichen. Weiterhin ist es bedeutsam, im Rahmen der Prävention
gezielt Screening-Tools zu entwickeln und die Konsensusempfehlungen zur Therapie der Psoriasis bei Kindern und Jugendlichen weiterzuentwickeln, um eine patientenorientierte Therapie zu
etablieren, die gezielt den individuellen Bedürfnissen der „kleinen Patienten“ gerecht wird.
Insgesamt kann man davon ausgehen, dass die Daten dieser Studie zur Prävalenz der entzündlichen Dermatosen im Kindesalter und zu den Prävalenzraten der Begleiterkrankungen repräsentativ für die
deutsche Bevölkerung sind.
In den nationalen Versorgungszielen zur Psoriasis wird die frühzeitige Diagnose und Behandlung der juvenilen Psoriasis und assoziierter Komorbidität besonders hervorgehoben. Die gleiche
Zielstellung gilt für Kinder mit Atopischem Ekzem.