Sepezial Allergologie/Hyposensibilisierung: Werkzeugkasten für gezielte Allergieforschung entwickelt
Ein Forschungsteam des Paul-Ehrlich-Instituts und der Universität Bayreuth hat ein Verfahren entwickelt, mit dem es erstmals möglich ist, gezielt die allergenen Eigenschaften potenzieller
Antikörper-Bindungsstellen (Epitope) des Hauptallergens der Birke (Bet v 1) zu erforschen.
Die Erkenntnisse, die dadurch gewonnen werden können, sind insbesondere deswegen bedeutsam, weil es bei Birkenpollenallergikern häufig zu Kreuzallergien mit pflanzlichen Nahrungsmitteln kommt,
für die bisher keine etablierten Behandlungsmöglichkeiten bestehen.
Erst entwickelt sich der klassische Heuschnupfen als allergische Reaktion auf bestimmte Pollen und über die Jahre kommen Nahrungsmittelallergien dazu, die den Verzicht auf immer mehr Lebensmittel
erzwingen. So entwickeln beispielsweise Birkenpollenallergiker Antikörper gegen Bet v 1, das Hauptallergen der Birke, die auch auf Allergene aus pflanzlichen Nahrungsmitteln wie Kirsche, Apfel
oder Haselnuss reagieren. Hierbei binden Antikörper der Klasse IgE an sogenannte Epitope, Oberflächenbereiche des allergieauslösenden Proteins (Allergen), und lösen so eine allergische Reaktion
aus. Allergene haben jedoch nicht nur ein, sondern mehrere verschiedene Epitope. Bislang ist nur sehr wenig darüber bekannt, welche Epitope für die jeweilige Allergie tatsächlich bedeutsam sind.
Wäre dies bekannt, könnten Allergien spezifischer als bisher diagnostiziert und darüber hinaus effizientere Arzneimittel entwickelt werden, mit denen eine Hyposensibilisierung durchgeführt werden
kann.
Raumstruktur spielt eine wichtige Rolle
Für Funktion und Allergenität von Proteinen spielt deren Raumstruktur eine wichtige Rolle. Die Raumstruktur eines dem Bet v 1 sehr ähnlichen Proteins aus der Wiesenraute wurde 2008 am
Forschungszentrum für Bio-Makromoleküle (BIOmac) der Universität Bayreuth mithilfe der magnetischen Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) bestimmt. Trotz der großen strukturellen Ähnlichkeit ist
das Wiesenrautemolekül kein Allergen, was an der leicht unterschiedlichen Zusammensetzung der Bausteine dieser Proteine – der Aminosäuresequenz – liegt.
Forscherinnen und Forscher um Dr. med. Dirk Schiller, Fachgebiet Rekombinante Allergentherapeutika des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), und Christian Seutter von Loetzen aus der Arbeitsgruppe von
Prof. Dr. rer. nat. Paul Rösch, BIOmac, haben einen Forschungsansatz entwickelt, bei dem sie das nicht allergene Wiesenrautemolekül als Matrize nutzen: Gezielt werden im Wiesenrauteprotein
Aminosäuren durch solche ersetzt, die Bet v 1 in den analogen Positionen aufweist, und anschließend das allergene Potenzial geprüft.
Strukturen des Allergens Bet v 1 (Birke, li.) und des Nichtallergens NCS (Wiesenraute, re.). Hervorgehob.: ein Epitop für IgE von
Bet v 1 und der korrespondierende nicht IgE-bindende Bereich des NCS
Unterschiedliche Grade der Allergenität erzeugt
Dabei konzentrieren sich die Forscher nicht nur auf das Epitop von Bet v 1, sondern auch auf Antikörper-Bindungsstellen von verwandten Allergenen aus Nahrungsmitteln wie beispielsweise Apfel,
Haselnuss oder Kirsche. Tatsächlich ist es gelungen, mit der neu entwickelten Methode unterschiedliche Grade der Allergenität in dem nicht allergenen Wiesenrauteprotein zu erzeugen. „Dieser
molekulare Baukasten ist ein innovativer Ansatz, Allergien viel gezielter als bisher systematisch und umfassend zu analysieren“, beschreibt Seutter von Loetzen das Modellsystem. „Er hat darüber
hinaus das Potenzial, wichtige Erkenntnisse für die Diagnose, Prognose und Therapie von Pollen- und Lebensmittelallergien zu liefern“, erläutert Schiller die Forschungsergebnisse.
So ist es denkbar, spezifische Moleküle zu entwickeln, denen diejenigen Epitope fehlen, die allergische Reaktionen auslösen, und die im Gegensatz dazu nur noch solche Epitope aufweisen, die für
eine erfolgreiche Hyposensibilisierung notwendig und wichtig sind. Prof. Dr. med. Stefan Vieths, Leiter der Abteilung Allergologie und Vizepräsident des PEI, und Rösch, Leiter des
Forschungszentrums für Bio-Makromoleküle, betonen, dass das Ergebnis dieser Arbeit sowohl auf der hervorragenden technisch-methodischen Ausstattung und Expertise beider Institute, als auch auf
der über Jahre gewachsenen Zusammenarbeit beider sich ideal ergänzenden Gruppen beruht.u
Veröffentlichung:
Berkner H, Seutter von Loetzen C, Hartl M, Randow S, Gubesch M, Vogel L, Husslik F, Reuter A, Lidholm J, Ballmer-Weber B, Vieths S, Rösch P, Schiller D (2014):
Enlarging the Toolbox for Allergen Epitope Definition with an Allergen-Type Model Protein,
PLOS ONE, Published: October 30, 2014