Rabattverträge für Adrenalin-Autoinjektoren in Kraft – Aut-idem-Kreuz setzen!
Nicht nur bei den Dermatologischen Topika gibt es Unstimmigkeiten mit dem
G-BA: Auch die Allergologen laufen Sturm gegen Rabattverträge – in diesem Falle für Adrenalin-Autoinjektoren.
Unsere Befürchtungen sind zu Tatsachen geworden: Rabattverträge für Adrenalin-Autoinjektoren (AAI) sind mittlerweile in Kraft getreten. Für Anaphylaxie-gefährdete Patienten ist das – überspitzt
gesagt – wie russisches Roulette“, beschreibt Prof. Dr. med. Ludger Klimek, Präsident des Ärzteverbands Deutscher Allergologen (AeA) und Sprecher des Expertenforums Anaphylaxie
(www.anaphylaxie-experten-forum.de), die Situation. In einer aktuellen Veröffentlichung im Allergo Journal informiert Klimek über die Auswirkungen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat sich
trotz vehementer Forderungen der Allergologen gegen einen generellen Substitutionsausschluss für AAI entschieden. Damit ist der Apotheker ab sofort verpflichtet, gesetzlich versicherten Patienten
das im Rabattvertrag ihrer jeweiligen Krankenkasse festgelegte Adrenalin-Injektormodell anstelle des vom Arzt verordneten auszuhändigen. Ein „Einspar-Deal“ mit gefährlichen Folgen für
Anaphylaxie-Patienten. „Wir schulen unsere Patienten sehr sorgfältig auf das jeweilige verordnete Autoinjektor-Modell, damit sie es im Ernstfall sicher anwenden können. Das wird durch eine
Aut-idem-Regelung, bei der der vertraute Adrenalin-Injektor durch ein anderes Modell ausgetauscht wird, ad absurdum geführt“, unterstützt PD Dr. med. Kirsten Jung, niedergelassene Allergologin
aus Erfurt und Mitglied des Expertenforums Anaphylaxie, Klimeks Kritik. „In einer Notfallsituation ist der Patient bzw. sein Angehöriger ohnehin bereits in einem Ausnahmezustand. Alles, was dann
an zusätzlichen Unsicherheitsfaktoren hinzukommt, erhöht das Risiko eines tödlichen Ausgangs unnötigerweise“, ergänzt Jung. „Im Sinne des Patientenwohls und um unnötige juristische Folgen zu
vermeiden – wir empfehlen derzeit allen unseren Kollegen bei der Verordnung eines AAI: Kreuzen Sie das Feld „Nec aut idem“ (Substitutionsverbot für den Apotheker) an – damit sind Sie auf der
sicheren Seite“, appelliert Klimek.
Der G-BA hat einen generellen Substitutionsausschluss für AAI geprüft, sich jedoch gegen die Aufnahme der AAI auf die Substitutionsliste entschieden. Die Konsequenz: Der Apotheker muss bei
gesetzlich versicherten Patienten den im Rabattvertrag der jeweiligen Krankenkasse festgelegten AAI anstelle des vom Arzt verschriebenen Modells abgeben – es sei denn, der Arzt hat das „Nec aut
idem“-Kästchen auf dem GKV-Rezept angekreuzt. Zur Begründung seiner Entscheidung schreibt der G-BA, dass anhand der Fachinformationen [der einzelnen AAI] keine wesentlichen Unterschiede in der
Anwendung feststellbar seien, die eine Aufnahme [in die Substitutionsliste] rechtfertigten. +
AAI alle gleich – ist das so?
Alle in Deutschland erhältlichen AAI enthalten den gleichen Wirkstoff, Epinephrin, die gleiche formelle Darreichungsform, Lösung zur intramuskulären Injektion, und die gleiche Zulassung,
Notfallbehandlung einer akuten allergischen Reaktion. So weit, so gleich – allerdings gibt es bereits bei den verfügbaren Wirkstärken Unterschiede: Bislang war die Standarddosierung für
Erwachsene 0,3 mg, mittlerweile gibt es von einem Hersteller zusätzlich einen AAI in der Wirkstärke 0,5 mg. Unterschiedlich ist auch das zugelassene Mindestkörpergewicht für die
Verordnung: Ein AAI kann bereits ab einem Körpergewicht (KG) von 7,5 kg verordnet werden, die übrigen erst ab 15 kg KG. Hinzu kommen unterschiedliche Nadellängen (13 – 23 mm) und
vor allem Unterschiede in der Handhabung. „Aus ärztlicher Sicht ist ein breites Portfolio an AAI durchaus sinnvoll. Denn es erlaubt uns, individuell auf die jeweilige Patientensituation
einzugehen“, so Jung.
Eine produktspezifische Schulung durch den verordnenden Arzt oder in einer Anaphylaxie-Schulung (mehr Informationen unter: www.anaphylaxieschulung.de) geben dem Patienten und seinen Angehörigen,
bei Kindern auch Lehrer oder Erzieher, ein hohes Maß an Sicherheit im Umgang mit einer potenziell lebensbedrohlichen Situation. „Und gerade dies ist es doch, was wir erreichen möchten –
umsichtiges und adäquates Handeln in der Anaphylaxiesituation, um zukünftig ernste, wenn nicht gar tödliche Folgen zu vermeiden“, mahnt Jung an.
Aut idem ad absurdum
Durch die Aut-idem-Regelung und die damit verbundene Austauschbarkeit der AAI werden sowohl die individuellen Überlegungen, die zur Verordnung eines bestimmten AAI-Modells geführt haben, als auch
die Schulung des Patienten auf „seinen“ Autoinjektor-Typ ad absurdum geführt Im schlimmsten Fall verunsichert das den Patienten bzw. die helfende Personen so weit, dass der Injektor falsch oder
gar nicht eingesetzt wird und der Patient Schaden erleidet. Der verordnende Arzt wird durch die Regelung unnötigerweise einem juristischen Risiko ausgesetzt. Muss er doch laut Fachinformation
„sicherstellen, dass sein Patient (Begleitperson) die Einsatzmöglichkeiten beim anaphylaktischen Schock und die Anwendungsmöglichkeiten des Autoinjektors verstanden hat.“
„Nec aut idem“ ankreuzen!
Sowohl die AeDA als auch das Expertenforum Anaphylaxie werden sich auch weiterhin darum bemühen, dass der G-BA und die gesetzlichen Krankenkassen zustimmen, die Aut-idem-Regelung für AAI
grundsätzlich auszusetzen. „In der Zwischenzeit“, so Klimek, „raten wir den Kolleginnen und Kollegen bei jeder AAI-Verordnung auf GKV-Rezept, das Feld „Nec aut idem“ anzukreuzen. Dadurch darf der
Apotheker nur das verordnete AAI-Modell an den Patienten abgeben.“