HZI-Wissenschaftler isolieren und beschreiben neuartige Fungizide aus Bodenbakterium
Hefepilze wie Candida albicans können hartnäckige Hauterkrankungen hervorrufen und stellen für Patienten mit einem geschwächten Immunsystem eine schwerwiegende Gesundheitsgefährdung dar. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) in Saarbrücken haben nun neue Substanzen entdeckt, die gegen solche Pilzinfektionen wirken.
Wissenschaftler am HZI beschäftigen sich auch mit der Suche nach Naturstoffen, die beispielsweise antibiotische Wirkung haben. Häufig werden die Wissenschaftler bei der Untersuchung von
Mikroorganismen aus dem Boden fündig. So auch im Fall der nun entdeckten Pinensine: Sie werden vom gram-negativen Bodenbakterium Chitinophaga pinensis hergestellt und gehören zur Gruppe der
Lantibiotika. Diese Klasse von Antibiotika wurde bisher in nennenswerten Mengen ausschließlich von gram-positiven Bakterien produziert und wirkt sehr spezifisch gegen andere gram-positive. „Das
prominenteste Beispiel eines Lantibiotikums ist sicherlich Nisin. Es kommt in der Rinde von Käse vor und wird von Milchsäurebakterien produziert“, sagt Dr. Kathrin I. Mohr, Wissenschaftlerin in
der Abteilung Mikrobielle Wirkstoffe am HZI und gemeinsam mit Dr. Carsten Volz vom HIPS Erstautorin der jetzt veröffentlichten Studie.
Allerdings weisen die Pinensine noch eine Besonderheit auf. „Sie sind die ersten Lantibiotika, die selektiv gegen Pilze wirken“, sagt Mohr. „Damit haben wir neue potenzielle Mittel gegen
Pilzerkrankungen wie Candidose gefunden.“ Benötigt werden solche Antimykotika dringend, da die bisher verfügbaren Medikamente teils schwere Nebenwirkungen haben können. „Es wurden auch schon
signifikante Resistenzentwicklungen beobachtet, was die Entwicklung neuer Fungizide erforderlich macht“, sagt Mohr.
Entdeckt haben die Forscher die Pinensine in einem sogenannten Screening. Aus der Umwelt isolierte Mikroorganismen werden dabei zunächst darauf geprüft, ob sie antibiotisch wirksame Substanzen
herstellen. Ist dies der Fall, versuchen die Forscher, den Stoff zu isolieren. Wenn er in reiner Form vorliegt, kann er genau charakterisiert werden. Dabei wird auch untersucht, ob er eine
toxische Wirkung auf menschliche Zellen hat. Ist der Wirkstoffkandidat nicht toxisch, kann er von industriellen Partnern zu einem Medikament weiterentwickelt werden.
Bis es allerdings bei den Pinensinen so weit ist, sind noch weitere Arbeiten nötig. So versuchen Kathrin Mohr und ihre Kollegen derzeit, deren Herstellung im Labor zu optimieren: „Nur Substanzen,
die im Multi-Gramm-Maßstab verfügbar gemacht werden, haben als Entwicklungskandidaten Aussicht auf Erfolg. Bisher ist das nicht gegeben“, sagt Mohr. Das könnte sich allerdings bald ändern.
Co-Autor Volz hat allerdings bereits den Syntheseweg der Pinensine aufgeklärt. Auf Basis dieser Erkenntnisse lässt sich möglicherweise ein Verfahren zur einfachen biotechnologischen Produktion
der Wirkstoffe entwickeln. Parallel wird das Potenzial der Pinensine weiter ausgelotet. Möglicherweise eignen sie sich nicht nur als Pilzmittel in der Medizin, sondern auch als
Pflanzenschutzmittel. Denn: „Aufgrund zunehmender Resistenzen ist auch die Landwirtschaft permanent auf neue Fungizide angewiesen“, sagt Mohr.
Originalpublikation:
K. I. Mohr, C. Volz, R. Jansen, V. Wray, J. Hoffmann, S. Bernecker, J. Wink, K. Gerth, M. Stadler, R. Müller: Pinensine: Die ersten antimykotischen Lantibiotika.
Angewandte Chemie, 2015. DOI: 10.1002/ange.201500927