Patientendaten
Wenn Patienten vollen Zugang zu ihren Daten erhalten, verbessert sich Arzt-Patienten-Beziehung. Erhöhte Transparenz in der medizinischen Versorgung stärkt die Mitarbeit, das Verständnis und die Selbstfürsorge von Patienten, so das Ergebnis einer kürzlich veröffentlichten Studie.
Wenn Patienten vollen Zugriff auf ihre medizinischen Befunde und die Notizen des Arztes zu ihrer Erkrankung erhalten, verbessert dies die Arzt-Patienten-Beziehung erheblich. Dies hat eine Gruppe
von Forschern der Universität Witten/Herdecke (UW/H) und der Harvard University (Boston, USA) herausgefunden. Zudem stärkt die erhöhte Transparenz in der Behandlung die Mitarbeit und das
Selbstmanagement der Patienten, verbessert das Verständnis der medizinischen Probleme und unterstützt die Selbstfürsorge.
„Nach Studienlage versteht etwa die Hälfte der Patienten, die zum Arzt gehen, nicht genau, was gerade besprochen wurde“, erläutert der Studienleiter Prof. Dr. med. Tobias Esch. Der 45-Jährige hat
an der Harvard Medical School zum Thema Arzt-Patienten-Beziehung geforscht und ist nun Professor für Integrierte Gesundheitsversorgung und -förderung an der UW/H. „Durch das OpenNotes-Projekt hat
sich das Verständnis für das Besprochene radikal verbessert. Dadurch, dass die Patienten alles noch einmal nachlesen und auch die Notizen der Ärzte online einsehen können, haben sie die
Möglichkeit, sich noch intensiver mit dem Thema zu beschäftigen, etwas noch einmal nachzulesen oder mit Angehörigen und Bekannten darüber zu sprechen.“
Zunächst große Skepsis bei den Ärzten
Als das Projekt OpenNotes in den USA ins Leben gerufen wurde, seien viele Ärzte skeptisch gewesen. „Wir wollten herausfinden, wie sich die Beziehung zwischen Arzt und Patient verändert, wenn den
Patienten volle Transparenz gewährt wird. Das für viele durchaus erstaunliche Ergebnis war, dass sich die Beziehung deutlich verbessert.“ So ist mittlerweile auch die Skepsis der Ärzte gewichen.
Esch: „Am Anfang hatten wir 120.000 Patienten, die sich beteiligt haben. Mittlerweile sind schon rund acht Millionen dabei. In zwei Jahren möchten wir 50 Millionen Leute erreichen.“
Gemeinsam mit dem Patienten an der Genesung arbeiten
Überlegungen, wie Patienten aktiv in ihre Heilung einbezogen werden können, beschäftigen den Forscher schon seit längerer Zeit. „Ich glaube, OpenNotes kann hier eine gute Lösung sein“, so Esch.
„In der Zukunft wird es für Ärzte immer wichtiger werden, nicht nur die Krankheit des Patienten zu betrachten, sondern gemeinsam mit dem Patienten an seiner Genesung zu arbeiten. Dazu muss er
involviert sein, verstehen, was passiert und sich als aktiven Teil der Behandlung ansehen. Patienten, die sich eingebunden fühlen, erzielen in der Regel auch bessere Therapieerfolge. Dafür
brauchen wir eine patientenbasierte und integrative Medizin.“
In der Studie gaben mehr als 77 Prozent der Patienten an, durch OpenNotes mehr Kontrolle über ihre Behandlung zu haben als zuvor. Mehr als 60 Prozent konnten durch das Programm ihre
Medikation korrekt oder besser dosieren. Und fast alle Befragten fanden mindestens einmal einen Irrtum oder ein Missverständnis in den Unterlagen, die sie dank der freien Zugänglichkeit schnell
korrigieren lassen konnten. Einige Patienten gaben zudem zu, Informationen zum Schutz ihrer Privatsphäre zunächst zurückgehalten zu haben, bis ihnen durch die Einsicht in die Unterlagen klar
geworden sei, dass sie zur Behandlung wichtig seien.
Gewinn für beide Seiten
„Letztlich ist dieser transparente Ansatz ein Gewinn für beide Seiten”, sagt Esch. „Die Patienten haben mehr Vertrauen, nehmen ihre Medikamente wie verschrieben, erinnern sich besser an das
Besprochene und arbeiten aktiv an ihrer Gesundung mit. Die Ärzte können dadurch ihre Kommunikation verbessern, haben besser informierte und vorbereitete Patienten und auch andere Ärzte und
Pflegende können besser über die gewünschte Behandlung unterrichtet werden. Und zu guter Letzt hilft das auch dem Gesundheitssystem. Wenn besser kommuniziert und die Dosierung der Medikamente
eingehalten wird, medizinische Fehler vermieden werden und der Arzt seine Zeit effizienter nutzen kann, reduziert das am Ende auch die Kosten der Behandlung.“
Vorreiterrolle
Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1982 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 2.300 Studierenden in den
Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und
Persönlichkeitsentwicklung.
Die Studie finden Sie unter: http://bmjopen.bmj.com/content/6/1/e010034.full