Forschung
Viele Kosmetika wie Sonnencremes enthalten Titandioxid. Die Nanopartikel sind umstritten. Experten vermuten schädliche Wirkungen für Mensch und Umwelt. Die Teilchen lassen sich in den Cremes schwer nachweisen. Mit einer Messmethode von Fraunhofer-Forschern lassen sich die Partikel exakt bestimmen.
Immer mehr Konsumgüter enthalten Nanopartikel. Besonders sensibel ist der Einsatz der winzigen Teilchen in Kosmetika, da der Verbraucher direkt mit den Produkten in Berührung kommt. In Sonnenschutzcremes etwa finden sich Nano-Titandioxidpartikel. Sie dienen als UV-Schutz. Aber die winzigen Partikel sind umstritten. Sie können in die Haut eindringen, wenn diese verletzt ist und entzündliche Reaktionen auslösen. Problematisch ist der Einsatz in Sonnensprays. Wissenschaftler befürchten, dass die Partikel beim Einatmen die Lunge schädigen könnten.
Kennzeichnungspflicht für Nanoprodukte
Seit Juli 2013 gilt daher laut einer EU-Verordnung für Kosmetika und Körperpflegeprodukte die Kennzeichnungspflicht. Wenn im Produkt Inhaltsstoffe in Nanogröße eingesetzt werden, müssen
Hersteller dies mit dem Zusatz „Nano“ kenntlich machen. Aufgrund der Vorgaben seitens des Gesetzgebers ist der Bedarf nach Analysemethoden groß. Die aktuellen bildgebenden
elektronenmikroskopischen Verfahren wie die Transmissions- oder Rasterelektronenmikroskopie basieren auf der Lichtstreuung. Mit ihnen werden alle vorhandenen Partikel detektiert. Zwischen einem
Fussel, einer Zelle oder einem Nanoteilchen unterscheiden sie nicht. „Die Lichtstreuverfahren und die Mikroskopie sind für viele, unter anderem toxikologische Untersuchungen nicht selektiv
genug“, sagt Gabriele Beck-Schwadorf, Wissenschaftlerin am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart. Die Gruppenleiterin und ihr Team haben eine bestehende
Messmethode weiterentwickelt und verfeinert, sodass sich Titandioxid-Nanoteilchen in komplexen Medien, die aus vielen Komponenten bestehen, hochsensitiv und empfindlich bestimmen lassen. Per
Massenspektroskopie messen die Forscher einzelne Partikel mit induktiv gekoppeltem Plasma (engl. single particle inductively coupled plasma mass spectrometry, SP-ICP-MS). „Mit dieser Methode
bestimme ich Massen. Titan hat die Atommasse 48 amu (engl. atomic mass unit). Stelle ich das Spektrometer darauf ein, so kann ich gezielt Titan messen“, erklärt Katrin Sommer,
Lebensmittelchemikerin am IGB.
Bei der Partikelmessung wird eine Suspension ins Plasma versprüht, die sowohl große als auch kleine Teilchen mit inhomogener Verteilung enthält.
Messzeit 3 Millisekunden
Die Suspension muss stark verdünnt werden, sodass möglichst ein Titandioxid-Partikel nach dem anderen detektiert wird und analysiert werden kann. Im etwa 7.000 Kelvin heißen Plasma werden aus den
Partikeln Ionen gebildet, die als Ionenwolke zum Detektor des Spektrometers gelangen und innerhalb einer kurzen Messzeit von etwa drei Millisekunden gezählt werden. Die Signalintensität
korreliert mit der Partikelgröße. „Die Intensität rechnen wir in Nanometer um. Zeitgleich zählen wir die Partikelsignale, woraus wir die Partikelkonzentration bis auf 10 Prozent genau berechnen.
Wir können exakt feststellen, wie viele Partikel eine bestimmte Größe haben“, erläutert Sommer die Vorgehensweise. Ursprünglich entwickelten die Wissenschaftler vom IGB die Methode, um
Titandioxid-Nanopartikel im Abwasser zu messen. „Aber das Verfahren eignet sich allgemein für komplexe Medien und lässt sich auch auf Sonnenschutzcremes anwenden“, sagt die Forscherin. Die
Besonderheit: Das Team vom IGB führte die Datenanalyse und die Datenverarbeitung ohne spezielle Software durch. „Wir haben die Rohdaten mit einem Standard-Rechenprogramm statistisch ausgewertet
und können so herstellerunabhängig arbeiten. Im Vergleich zu bestehenden Methoden handelt es sich bei SP-ICP-MS um ein schnelles Verfahren, mit Bestimmungsgrenzen bis in den Ultraspurenbereich
unter einem ppm (engl. parts per million).“ Beispielsweise lässt sich eine Probe von wenigen Millilitern in etwa sechs Minuten untersuchen.
Partikelanalytik zur Qualitätssicherung
Hersteller von Kosmetika, Unternehmen der Nanotechnologie-Branche und Verbraucher können die Partikelanalytik zur Qualitätssicherung von Sonnenschutz- und Körperpflegeprodukten, aber auch von
Wasser, Trinkwasser und Lebensmitteln nutzen. Die Forscher planen, künftig auch andere Nanoteilchen wie etwa Siliziumdioxid-Partikel zu messen. Ob ein Produkt Nanopartikel enthält, lässt sich nur
durch komplexe Messungen feststellen.
Um das Vorliegen von Nanoteilchen festzustellen, wird deren Größe oder die Größenverteilung bestimmt. Nach Definition der EU handelt es sich um deklarierpflichtiges Nanomaterial, wenn mindestens
50 Prozent der enthaltenen Teilchen eine Größe von 1 bis 100 Nanometer (nm) aufweisen.
Bisherige Analyseverfahren stoßen hier an ihre Grenzen. Sie eignen sich nicht für die Analyse von komplexen Medien, wie sie in Kosmetika vorliegen.
Zudem lassen sich Nanopartikel mit unterschiedlichen chemischen Eigenschaften damit nicht voneinander unterscheiden.