Sprechstunde für organtransplantierte Patienten im Hauttumorzentrum Tübingen

Hauttumorrisiko frühzeitig erkennen

Die lebenslange immunsuppressive Behandlung bringt für organtransplantierte Patienten ein erhöhtes Hauttumorrisiko mit sich. Das Hauttumorzentrum Tübingen bietet eine Spezialsprechstunde an.

Das Zentrum für Dermato-Onkologie (Leitung: Prof. Dr. med. Claus Garbe) der Universitätshautklinik Tübingen (Direktor: Prof. Dr. med. Martin Röcken) bietet seit 2006 in enger Zusammenarbeit mit dem Transplantationszentrum besondere Beratungen, Untersuchungen und die kontinuierliche Begleitung dieser Patienten an.
In einem neuen Gebäude, das in Kürze beziehbar sein wird, stehen dann moderne Untersuchungs- und Behandlungsräume für eine optimierte Betreuung zur Verfügung. PD Dr. med. Ulrike Leiter-Stöppke leitet die Sprechstunde für Organtransplantierte und weiß, dass die Entwicklung von Hautkrebs in vielen Fällen verhindert werden kann. Auch die Therapie erachtet sie als unproblematisch, sofern die Erkrankung frühzeitig erkannt wird.
Die Spezial-Sprechstunde besteht seit 2006 und kam aufgrund der engen Kooperation zwischen Dermatologie und Transplantationsmedizin, die hier in Tübingen besteht, zustande. Ziel war es, auch niedergelassenen Nephrologen und Internisten, die organtransplantierte Patienten betreuen, die Möglichkeiten einer Spezialambulanz zu bieten. „Wir führen am Universitätsklinikum Tübingen zusammen mit dem Transplantationszentrum, der Klinik für Innere Medizin und der Klinik für Viszeral-, Allgemein- und Transplantationschirurgie unter Leitung von Prof. Dr. med. Alfred Königsrainer Fortbildungsveranstaltungen u.a. im Rahmen des Patiententages durch“, erläutert Leiter-Stöppke. Diese Informationen richten sich an Patienten und an die zuweisenden Ärzte, die eng mit dem Transplantationszentrum zusammenarbeiten. Im vergangenen November fand beispielsweise ein Symposium für Ärzte und Patienten statt. Hier stand das Thema Hauttumoren und die besonderen Risiken nach Organtransplantationen im Mittelpunkt. Enge Zusammenarbeit besteht auch mit dem Transplantationszentrum in Stuttgart unter Leitung von Prof. Dr. med. Christoph Olbricht, das von Anfang an in der Tübinger Spezialsprechstunde eingebunden war. Zwischenzeitlich ist es so, dass eine große Anzahl von Nephrologen aus Stuttgart und Umgebung bis hin zum Schwarzwald und großen Teilen Baden-Württembergs ihre Patienten hierher überweisen. „Unser Ziel ist es, die Patienten heimatnah – in enger Kooperation mit den niedergelassenen Dermatologen – wie auch hier im Zentrum zu betreuen“, so Leiter-Stöppke. Dies geschieht im Rahmen der wechselweisen Nachsorge. Es hat sich bei Hauttumoren sehr bewährt, dass der Patient auch in Wohnortnähe einen Ansprechpartner hat und im Falle von Komplikationen oder wenn rascher Handlungsbedarf besteht, rasch in die Klinik aufgenommen werden kann.

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Dr. med. Ulrike Leiter-Stöppke

Am besten vor der Transplantation zur Sprechstunde für Organtransplantierte:
„Das Ziel besteht darin, die Entwicklung von Hautkrebs zu verhindern oder ihn so frühzeitig zu erkennen, dass die Behandlung unproblematisch und erfolgreich ist“, so Dr. med. Ulrike Leiter-Stöppke.

Frühzeitig mit dem Risiko umgehen


Wichtig ist es, die Patienten schon vor der Transplantation zu sehen und die Risikofaktoren für die Entwicklung von Hauttumoren einzuschätzen. Dementsprechend berät das Hauttumorzentrum z.B. in Bezug auf die Immunsuppression und die möglicherweise frühzeitig notwendige Umstellung auf mTOR-Inhibitoren. Weiterhin wird ein individuelles Risikoprofil erstellt und der Patient schon vor der Organtransplantation dahingehend beraten, wie er sich tumorprotektiv verhalten kann. Dies gilt ebenso für die Primärprävention wie auch für die Sekundärprävention nach bereits aufgetretenen Tumoren. Die Patientenschulung beinhaltet eine Anleitung zur Selbstuntersuchung. „Wir zeigen ihm daher Abbildungen der relevanten Tumoren, damit er in der Lage ist, frühe Stadien oder verdächtige Veränderungen rechtzeitig zu erkennen und frühzeitig das Hauttumorzentrum aufzusuchen“, erläutert Leiter-Stöppke.

 

Hauttumoren unter Immunsuppression – Inzidenz und Prognose


Der häufigste Tumor ist das Plattenepithelkarzinom, das bei transplantierten Patienten (in den verschiedenen Studien) um das 65- bis zu 250-Fache gegenüber der Normalbevölkerung erhöht ist und meist aggressiver verläuft. Basalzellkarzinome treten mit einer geringer erhöhten Inzidenz auf – das Verhältnis von Plattenepithelkarzinomen zu Basalzellkarzinomen ist bei organtransplantierten Patienten 4:1. Das Tumorrisiko steigt mit den Jahren nach der Transplantation, wobei Männer deutlich häufiger betroffen sind als Frauen. Weiterhin spielen das Alter und die vorausgehende Sonnenexposition eine Rolle, sowie der Hauttyp und ggf. bestehende Hauttumoren. Intensität, Art und Dauer der Immunsuppression sind weitere Risikofaktoren und bei Nierentransplantierten auch die Dauer der Dialyse. Bei Lebertransplantierten steigt das Risiko vermutlich in Abhängigkeit von einer Einschränkung der Leberfunktion.
Aktuell publizierte klinische Daten zeigen, insbesondere bei frühzeitigem Einsatz, einen positiven Effekt von Sirolimus auf das Hauttumor-Risiko. „Insgesamt habe ich genau das beobachtet, was in den großen publizierten Untersuchungen gezeigt wurde“, berichtet Leiter-Stöppke, „nämlich dass die Umstellung auf einen mTOR-Inhibitor langfristig das Hauttumorrisiko verringert.“ Wichtig ist dabei, den Patienten mit entsprechendem Risiko nach der Organtransplantation frühzeitig auf mTOR-Inhibitoren umzustellen. Dann ist die Tumorprotektion am effektivsten. „Ziel ist die Patienten-individuelle bzw. Risikoprofil-abhängige Entscheidung für eine frühzeitige Umstellung, gegen die – zumindest aus dermatologischer Sicht – nichts spricht“, so die Dermatologin.


Fazit


Alle Patienten, bei denen eine Organtransplantation geplant ist, sollten sich frühzeitig in der dermatologischen Spezialambulanz vorstellen, damit sie geschult und aufgeklärt werden, um sich hinsichtlich des Hauttumorrisikos möglichst richtig zu verhalten. Vor Ort sollte unbedingt eine dermatologische Betreuung sichergestellt werden. Im Sinne einer optimalen Behandlung ist die zusätzliche, lebenslange Begleitung in einem spezialisierten Hauttumorzentrum – wie z.B. in Tübingen – unverzichtbar. Da bei transplantierten Patienten aggressive, metastasierende Tumoren auftreten können, wird dringend zur regelmäßigen Kontrolle im Hauttumorzentrum geraten. Nur so kann eine frühzeitige und adäquate Therapie weitestgehend sichergestellt werden, zu der auf Wunsch auch eine psychoonkologische Begleitung angeboten wird. ghw


Präventivmaßnahmen sind immer ein Thema


Bei der Erstvorstellung des Patienten ist für eine spezielle Sonnenschutzberatung schon mehr Zeit eingeplant. Bei allen nachfolgenden Untersuchungen wird der Patient jedes Mal eingehend aufgeklärt und geschult. Die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) hat eigens ein Komitee gegründet, das sich um die Verbesserung der dermatologischen Versorgung organtransplantierter Patienten kümmert. Im Rahmen einer Aufklärungskampagne wurden Schulungsunterlagen erarbeitetet sowie Informationsplakate für Praxen und Patientenpässe zur Verfügung gestellt.

Foto: ghw
Prof. Dr. med. Claus Garbe

Universitätshautklinik Tübingen – erfahren, modern, individuell


In drei Operationssälen werden parallel jährlich mehr als 2.000 Eingriffe durchgeführt. Zusätzlich stehen in der Poliklinik Eingriffsräume für kleinere Operationen zur Verfügung. Damit ist die Dermato-Chirurgie europaweit führend und leistet eines der größten OP-Programme für Hauttumore in Europa. Mit der 3D-Histologie wird eine gewebeschonende Methode der Tumorentfernung mit hoher Sicherheit der vollständigen Resektion eingesetzt. Durch die histologische Darstellung der gesamten Fläche können auch sehr feine Tumorausläufer entdeckt werden.
Die Schwerpunkte liegen bei den Melanomen und epithelialen Hauttumoren. Pro Jahr kommen rund 600 neue Melanom-Patienten in die Tübinger Hautklinik. Im Jahr 2012 wurden 320 Patienten mit fernmetastasierenden Hauttumoren behandelt. Wie Prof. Dr. med. Claus Garbe erläutert, besteht seit 2000 eine interdisziplinäre Hauttumorkonferenz (unter Teilnahme von Hämato-Onkologen, Radiologen, Strahlentherapeuten, Chirurgen), die regelmäßig wöchentlich stattfindet und einen hohen Standard in der Therapie der Hauttumoren sicherstellt. Mit intensiver Forschungsarbeit suchen die Tübinger Dermato-Onkologen nach innovativen therapeutischen Ansatzpunkten. Zahlreiche klinische Studien in den Phasen I und II testen die Wirksamkeit neuer Substanzen.