Zum Stand der Entwicklung von EBM und GOÄ
Eine Übersicht zum derzeitigen Stand von EMB und GOÄ und daraus folgender rechtlicher Problematik wird der Kölner Rechtsanwalt Dr. jur. Rainer Hess auf der Tagung Dermatologische Praxis 2014 in Frankenthal geben.
Die vertragsärztliche Vergütung nach dem EBM und die privatärztliche Vergütung nach der GOÄ unterliegen jeweils eigenen Gesetzmäßigkeiten. Im Zusammenhang mit Diskussionen über eine stärkere Verschränkung der Leistungsangebote von GKV und PKV vor der Bundestagswahl ist aber auch über eine Vereinheitlichung der Vergütungssysteme nachgedacht worden. Der gegenwärtige Unterschied zwischen beiden Vergütungssystemen kann allerdings krasser nicht sein. Ein veraltetes Leistungsverzeichnis der GOÄ, das nur mit den hier rechtlich zugelassenen Analogbewertungen und dem verfügbaren Gebührenrahmen vertretbare Ergebnisse liefert. Die Vergütung der ärztlichen Leistungen mit einem festen Eurobetrag wird mit einer zunehmenden Zahl rechtlicher Auseinandersetzungen erkauft. Demgegenüber wird das Leistungsverzeichnis des EBM wegen des hier geltenden Analogbewertungsverbotes durch den Bewertungsausschuss zwar regelmäßig an die medizinische Entwicklung und veränderte Kostenstrukturen angepasst. Mit der Einführung des Euro-EBM wird zumindest auch der Anschein erweckt, als stehe dem Vertragsarzt vergleichbar der GOÄ-Liquidation ein vereinbarter Preis für seine Leistungen zu. Für die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen gilt aber gesetzlich nach wie vor der Grundsatz: „Das Morbiditätsrisiko tragen die Krankenkassen, das Arztzahlrisiko tragen die Kassenärztlichen Vereinigungen“. Das dazu notwendige gesetzliche Regelwerk, um den morbiditätsgewichteten medizinischen Behandlungsbedarf der Versicherten einer Krankenkasse als Punktzahlvolumen losgelöst von dem sich aus der Abrechnung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, MVZ etc. nach EBM ergebenden idR höherem Punktzahlvolumen zu ermitteln, ist hoch komplex.
Anfällig für rechtliche Auseinandersetzungen
Nur noch Insider können die notwendigen Berechnungen der Gesamtvergütung und deren bisherige Verteilung nach arztgruppenbezogenen Regelleistungsvolumen nachvollziehen. Deswegen ist dieses
Vergütungssystem in einem noch viel höheren Maße anfällig für rechtliche Auseinandersetzungen. Dabei geht es häufig um grundsätzliche Auslegungsfragen von normativ wirkenden Beschlüssen des
Erweiterten Bewertungsausschusses und daran rechtlich gebundene Honorarverteilungsmaßstäbe der KÄV. Urteile des Bundessozialgerichts wirken sich dann auf eine Vielzahl von Ärzten aus, die,
anwaltlich beraten, vorsorglich Widerspruch gegen ihren Abrechnungsbescheid eingelegt haben. Hierfür notwendige Rückstellungen der KÄV vermindern dann zusätzlich das aktuell zur Verteilung
anstehende Vergütungsvolumen. Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung den Anspruch eines Vertragsarztes gegen seine KÄV auf einen bestimmten Geldbetrag verneint. Dem Arzt steht
danach nur ein Anspruch auf eine für ihn nachvollziehbare Teilnahme an der Verteilung der an seine KÄV durch die Krankenkassen gezahlte Gesamtvergütung zu. Diese Rechtsprechung ist die Konsequenz
einer vom Leistungsbedarf der Versicherten gesetzlich abgekoppelten, nach Kopfpauschalen berechneten Gesamtvergütung, die in ihrer Veränderung an die beitragspflichtigen Einnahmen der
Krankenkassen gebunden sind (Grundsatz der Beitragssatzstabilität). Mit der gesetzlichen Neugestaltung einer morbiditätsorientierten Gesamtvergütung und einer Euro-Gebührenordnung ab 2009 glaubte
die Ärzteschaft, diese 1993 eingeführte, über fünfzehn Jahre andauernde stringente Budgetierung ihrer Gesamtvergütung überwinden zu können. Diese Hoffnung hat das BSG in einer neuerlichen
Entscheidung enttäuscht.
Lediglich „Idealkonzeption“
Die Aussage, dass ein Regelleistungsvolumen so hoch sein müsse, dass die wesentlichen Leistungen eines Fachgebietes rechnerisch in jedem Behandlungsfall nach den Preisen der Euro-Gebührenordnung
vergütet werden, sei lediglich eine „Idealkonzeption“ des Gesetzes. Diese sei nicht durchweg realisierbar, wenn – wie gesetzlich vorgeschrieben – die tatsächlich gezahlten Gesamtvergütungen
Grundlage der Berechnung der RLV sind. In einer früheren Entscheidung aus dem Jahre 2010 hat das BSG als Kompensation für rückläufige Entwicklungen im Regelleistungsvolumen der Dermatologen auf
deren Einnahmen aus der Privatliquidation verwiesen. Dem ist aus systematischen Gründen, aber auch wegen erheblicher regionaler oder praxisbezogener Unterschiede in der Privatliquidation zu
widersprechen. In diesem Jahr stehen nach der vorangegangenen Novellierung der GOZ eine Neugestaltung des Leistungsverzeichnisses der GOÄ und dessen Bewertungsrelationen an. Grundlage soll die
Bewertung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen sein, wie sie in ähnlicher Form auch für die betriebswirtschaftliche Kalkulation der Bewertungen im EBM herangezogen wurden. Auch eine
novellierte GOÄ wird aber im Wesentlichen ein Leistungsverzeichnis von Einzelleistungen und Leistungskomplexen mit Einzelbewertungen enthalten müssen.Eine Gesamtbudgetierung der Ausgaben oder
Versichertenpauschalen, Grundpauschalen und Zusatzpauschalen je quartalsbezogenem Behandlungsfall, wie sie das vertragsärztliche Vergütungssystem prägen, wäre in einer GOÄ, die rechtlich als
Gebührentaxe zu werten ist, nicht möglich.
EBM und GOÄ gehen daher auch in Zukunft getrennte Wege, beeinflussen sich aber wechselseitig.