Die Ärzteschaft ist gefordert

Medizin und Kosmetik Die ästhetische Medizin entwickelt sich fort, auch in den Randbereichen zur Kosmetik. Dr. jur. Gwendolyn Gemke, München, erläutert Urteile, die der Anwendung mancher Praktiken durch Laien klare Grenzen ziehen – und die auch durch die Ärzteschaft bekräftigt werden müssen.

Dr. jur. Gwendolyn Gemke Rechtsanwältin Fachanwältin für Medizinrecht Sozietät HGA, Hartmannsgruber Gemke Argyrakis & Partner Rechtsanwälte August-Exter-Straße 4, 81245 München Tel.: 82 99 56-0 (Foto: privat)
Dr. jur. Gwendolyn Gemke Rechtsanwältin Fachanwältin für Medizinrecht Sozietät HGA, Hartmannsgruber Gemke Argyrakis & Partner Rechtsanwälte August-Exter-Straße 4, 81245 München Tel.: 82 99 56-0 (Foto: privat)

Immer wieder werden neue Verfahren entwickelt, bei denen sich die Frage stellt, ob diese in die Hand eines approbierten Arztes gehören oder ob es sich um Verfahren handelt, deren Anwendung auch nicht approbierten Personen freigestellt ist.
Das Verwaltungsgericht Augsburg hat nunmehr in einem Eilverfahren entschieden, dass das Verfahren der Kryolipolyse dem Arztvorbehalt nach §§ 1, 2 HeilprG unterliegt (VG Augsburg, Beschluss vom 09.01.2017, Au 2 S 16.1501).
Wie das Verwaltungsgericht Augsburg feststellt, können bei Kryolipolyse-Behandlungen nach den amtsärztlichen Feststellungen gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht unerheblicher Art der Kunden nicht ausgeschlossen werden, so kann es z. B. zu Nekrosen kommen. Diese Einschätzung, der aufgrund der gesetzlichen Aufgabenzuweisung besonderes Gewicht beizumessen ist, konnte die Antragstellerin in dem betreffenden Verfahren nicht in ausreichender Weise entkräften. Trotz der Ausbildung der nicht approbierten Antragstellerin als Pharmareferentin und der räumlichen Nähe zu einem Arzt kann, so das Gericht, nicht ausgeschlossen werden, dass bei dem Kunden Gesundheitsschädigungen eintreten, wenn z. B. unerkannte Kon­traindikationen der vom Hersteller selbst aufgelisteten Art vorliegen und es der Behandlerin obliegt, zu entscheiden, ob sie einen Arzt beizieht oder nicht. Dies gilt, so das Gericht, auch unter Berücksichtigung der in erster Linie kosmetischen Zielsetzung der Behandlung.

 

„Umso unverständlicher ist es, dass die für den Vollzug des HeilprG verantwortlichen Gesundheitsämter hier nur selten aktiv werden und anscheinend die Auseinandersetzung mit nicht approbierten Anwendern scheuen.“


Darüber hinaus erscheinen die für die gesundheitliche Unbedenklichkeit bedeutsamen Anwendungsmöglichkeiten des Kryolipolyse-
Gerätes, selbst bei ordnungsgemäßer Einweisung in dessen Bedienung durch den Hersteller und die mit der Durchführung einer Kryolipolyse-Behandlung verbundenen möglichen Nebenwirkungen, nach Einschätzung des Gerichts, medizinische Kenntnisse erforderlich zu machen

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Potenzielle Gefährdungsdelikte


Da es sich bei den Verbotstatbeständen des HeilprG um potenzielle Gefährdungsdelikte handelt, zu deren Verwirklichung es ausreicht, dass die unerlaubte Heilbehandlung bei genereller Betrachtung der konkreten Tatumstände gefahrgeneigt sein kann, sprich, nicht gefahrgeneigt sein muss, wurde im vorliegenden Verfahren der Antragstellerin die Fortsetzung des Verfahrens der Kryolipolyse im einstweiligen Rechtsschutz untersagt. Dies gilt selbst unter Beachtung des Gewichtes der in Art. 13 GG verankerten Berufsfreiheit und der zu erwartenden finanziellen Einbußen der nicht approbierten Behandlerin.
Eine ähnliche Entscheidung hat das Verwaltungsgericht Weimar für einen anderen umkämpften Markt getroffen (VG Weimar, Beschluss vom 02.10.2015, 8 E 364/15 We)

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Laser nur mit medizinischen Fachkenntnissen


Im maßgeblichen Verfahren ging es um die Untersagung, ein Lasergerät zur Entfernung von Tätowierungen zu benutzen, ohne dass der entsprechende Anwender über eine Heilpraktiker-Erlaubnis verfügte. Ausübung der Heilkunde ist nach § 1 Abs. 2 HeilprG jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung und Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen, auch wenn sie im ­Dienste von anderen ausgeübt wird. Stets dann liege Heilkunde vor im Sinne des HeilprG, wenn erstens die Tätigkeit nach allgemeiner Auffassung medizinische Fachkenntnisse voraussetzt und wenn zweitens die Behandlung, bei generalisierender und typisierender Betrachtung der in Rede stehenden Tätigkeit, nennenswerte gesundheitliche Schädigungen verursachen können. Beide Voraussetzungen sah das Verwaltungsgericht Weimar erfüllt, auch hier gestützt auf ein ärztliches Gutachten. Die Anwendung eines Lasergerätes erfordert demnach medizinische Fachkenntnisse.

Gefahren wie Blutungen und allergische Reaktionen sind Vorgänge von erheblichem Gewicht, die die Untersagung der Anwendung des Lasers durch nicht approierte Personen und die keine Heilpraktikererlaubnis besitzen, begründen. (Foto: Verena N./Pixelio.de)
Gefahren wie Blutungen und allergische Reaktionen sind Vorgänge von erheblichem Gewicht, die die Untersagung der Anwendung des Lasers durch nicht approierte Personen und die keine Heilpraktikererlaubnis besitzen, begründen. (Foto: Verena N./Pixelio.de)

Besondere Kenntnisse nicht in sechs Übungsstunden zu erlangen


Nach den Feststellungen des Gutachters findet bei der Anwendung des Lasers eine Zerstörung der in der Hautzelle eingelagerten Pigmentpartikel mit einer nachfolgenden Hohlraumbildung in der Haut statt. Der Vorgang ist in einer Weise komplex, dass zu seiner Beherrschung besondere Kenntnisse erforderlich sind, die über das Allgemeinwissen um Körperfunktionen hinausgehen, so das Verwaltungsgericht Weimar. Diese lassen sich nicht in einem Einführungskurs in jeweils sechs Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten an potenzielle Anwender vermitteln.
Auch kann, so das Gericht, die Anwendung des Lasergerätes nennenswerte gesundheitliche Schäden verursachen, wobei zum einen auf die gerätetechnischen Besonderheiten abgestellt wird und die Gefährlichkeit von Laserstrahlen für das Auge und die Haut hervorgehoben wird. Bezogen auf die Anwendung an der Haut wird darauf abgestellt, dass laut Gutachten Quaddeln, punktförmige Blutungen, Bläschen, Krusten, Texturveränderungen der Haut, Hypo­pigmentierungen, allergische Reaktionen in Form urtikarieller, lichenoider oder granulomatöser Hautveränderungen, photoallergische Hautreaktionen sowie selten anaphylaktische Reaktionen entstehen können. Besonders die Akutgefahren wie Blutungen und allergische Reaktionen stellen Vorgänge von erheblichem Gewicht dar, die die Untersagung der Anwendung des Lasers durch nicht approbierte Personen und solche, die keine Heilpraktikererlaubnis haben, begründen.


Behandlungen im Grenzbereich zwischen ästhetischer Medizin und Kosmetik in die Hand der Ärzteschaft zurückholen


Diesen Entscheidungen ist ohne Einschränkung beizustimmen. Sie liegen ferner im Trend jüngster gerichtlicher Entscheidungen, die in den maßgeblichen Randbereichen, sei es Kryolipolyse, Faltenunterspritzung oder die Anwendung von Lasern bis zur Entfernung von Hautveränderungen, den Schutz des Patienten vor etwaige Gesundheitsgefährdungen vor das Erwerbsinteresse nicht approbierter Behandler stellt.
Umso unverständlicher ist es, dass die für den Vollzug des HeilprG verantwortlichen Gesundheitsämter hier nur selten aktiv werden und anscheinend die Auseinandersetzung mit nicht approbierten Anwendern scheuen. Möglicherweise wird es auf die Ärzteschaft zurückfallen, hier für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu sorgen und riskante Behandlungen im Grenzbereich zwischen ästhetischer Medizin und Kosmetik in die Hand der Ärzteschaft zurückzuholen.|

Fazit

  • Untersagung, ein Lasergerät zur Entfernung von Tätowierungen zu benutzen, ohne dass der entsprechende Anwender über eine Heilpraktikererlaubnis verfügt.
  • Besondere Kenntnisse lassen sich nicht in einem Einführungskurs in jeweils sechs Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten an potenzielle Anwender vermitteln.
  • Schutz des Patienten vor etwaigen Gesundheitsgefährdungen muss vor dem Erwerbsinteresse nicht approbierter Behandler stehen.