Rechtlich dürfen – faktisch nicht können

Filler nicht in Laienhände Faltenunterspritzung mit Hyaluronsäure in der Hand von Heilpraktikern und Laien – es besteht Handlungsbedarf! Die Münchener Rechtsanwältin Dr. jur. Gwendolyn Gemke beleuchtet die rechtlichen Hintergründe.

Dr. jur. Gwendolyn Gemke (Foto: privat)
Dr. jur. Gwendolyn Gemke (Foto: privat)

Die Anwendung von Fillern zur Faltenunterspritzung birgt für den Patienten eine Reihe von Behandlungsrisiken, am schwerwiegendsten sind die Verletzung von Nerven oder der sogenannte Gefäßverschluss. Dennoch wird sie sehr häufig von Personen durchgeführt, die nicht über eine Approbation als Arzt verfügen, oft noch nicht einmal über die Bestallung als Heilpraktiker. Es fehlt an den für eine Lege-artis-Behandlung erforderlichen Kenntnissen, erst recht mangelt es an der Fähigkeit zum Risikomanagement bei Auftreten einer Komplikation.
Der Grund dafür: Hyaluronsäurefiller sind über das Internet frei verkäuflich und das weithin unkontrollierte Marketing über Social-Media-Plattformen boomt. Gleichzeitig fehlt in weiten Kreisen der Bevölkerung das Bewusstsein für die mit der Faltenunterspritzung verbundenen Risiken. Die Hemmschwelle ist gering, die minimalinvasive Technik wird eher wie ein Besuch beim Friseur wahrgenommen als wie ein medizinischer Eingriff. Durch die Entwicklung, dass Hyaluronsäurefiller zwischenzeitlich mit Schmerzmitteln kombiniert werden (in der Regel Lidocain), ist die Hürde für eine Anwendung durch nicht approbierte Anwender weiter erheblich gesunken. Im Markt werden Hyaluronsäurefiller – fehlerhaft – als risikolose Therapie zur Faltenbehandlung betrachtet.
Medizinische Kenntnisse absolut erforderlich
Bei der Faltenunterspritzung mit Hyaluronsäurefillern wird die Hyaluronsäure – sei es mittels einer Spritze, sei es durch den sogenannten „Pen“, der hier falsche Sicherheit verspricht – subkutan eingebracht zur Unterfütterung des Gewebes. Selbst bei fachgerechter Anwendung durch den Arzt nach dem ärztlichen Facharztstandard kann dabei nicht zu 100 % ausgeschlossen werden, dass es zu einer allergischen Reaktion, zu einer Verletzung von Nerven oder Gefäßen oder zu einem Gefäßverschluss kommt. Das Risiko, dass eine Komplikation eintritt, lässt sich durch entsprechende Schulungen verringern; allerdings setzt dies sehr differenzierte Kenntnisse der Anatomie voraus, insbesondere über den Aufbau der Haut, den Verlauf von Gefäßen und den Verlauf von Nerven, wie diese im Rahmen eines Medizinstudiums und der Weiterbildung zum Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten und Facharzt für Plastische und Ästhetische Medizin vermittelt werden. Es geht eben nicht nur um das schematische Spritzen an markierten Stellen.

 

„Ein zentrales Argument
gegen die Faltenunterspritzung
durch Heilpraktiker
und Laien ist, dass Personen
ohne ärztliche Approbation
im Falle der Verwirklichung
eines Behandlungsrisikos
nicht die erforderliche Notfallversorgung

durchführen können.“


Personen, die nicht über ein Medizinstudium verfügen, können diese besonderen anatomischen Kenntnisse kaum erwerben. Daher wird die Injektion von Fillern durch die Rechtsprechung der Heilkunde zugeordnet; dies, obwohl eine medizinische Indikation in der Regel nicht vorliegt.
Lücke im Recht der Heilpraktiker
Auch die Ausbildung zum Heilpraktiker vermittelt die erforderlichen Kenntnisse nicht. Zwar eröffnet das Heilpraktikergesetz diesem Personenkreis generell die Möglichkeit zur Ausübung der Heilkunde, erst recht wird dies in den zum Erwerb der Heilpraktikererlaubnis zu absolvierenden Prüfungen (natürlich) nicht abgefragt.
Die haftungsrechtlichen Konsequenzen sind eindeutig. Für den Heilpraktiker gilt kein abweichender Standard als für den Arzt, er hat bei Eingriffen denselben Anforderungen zu genügen. Kann er dies nicht, so liegt ein Behandlungsfehler vor. Darüber hinaus wird man haftungsrechtlich von einem sogenannten Übernahmeverschulden ausgehen müssen, denn über Kenntnisse der Anatomie der Haut in der erforderlichen Tiefe verfügt der Heilpraktiker nicht. Das abstrakte rechtliche Dürfen und das konkrete faktische Können fallen auseinander.
Ein generelles Verbot, das den Aufsichtsbehörden eine Kontrolle und Untersagungsverfügungen ermöglichen würde, besteht jedoch nicht, denn nach deutschem Recht darf, wer über die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde als Heilpraktiker verfügt, Heilkunde auch ausüben. Erst wenn er sich als unzuverlässig erweist, kann diese Erlaubnis wieder entzogen werden. Ein grundsätzliches Dilemma, das vielfach angeprangert wurde und sich im Bereich der minimalinvasiven ästhetischen Medizin verschärft. Zu groß ist der Markt und die Verlockung, an diesem Kuchen teilzuhaben.
Risikomanagement als Teil der Lege-artis-Behandlung
Leidtragender ist derzeit der Patient. Ärzte berichten von gehäuften Fehlbehandlungen durch Laien. Neben den fehlenden vertieften anatomischen Kenntnissen ist ein zentrales Argument gegen die Faltenunterspritzung durch Heilpraktiker und Laien, dass Personen ohne ärztliche Approbation im Falle der Verwirklichung eines Behandlungsrisikos nicht die erforderliche Notfallversorgung durchführen können, die zur Vermeidung anhaltender Schäden des Patienten sofort eingeleitet werden muss.
Üble Folgen für den Patienten
Die praktische Erfahrung in der Ärzteschaft zeigt, dass Personen ohne fundierte medizinische Kenntnisse und Erfahrung, und zwar gerade mit der Haut, oft überfordert sind und das Auftreten eines behandlungsbedürftigen Gefäßverschlusses nicht erkennen. Es bedarf vertiefter Kenntnisse und Erfahrung, die Zeichen richtig zu deuten und anhand der auftretenden Symptome die richtige Diagnose zu stellen.
Für den Patienten hat dies üble Folgen, denn der als typisches Behandlungsrisiko zu qualifizierende Gefäßverschluss führt, wenn er nicht unmittelbar behandelt wird, zu einer langfristigen Schädigung des Gewebes/Gebietes, das durch das entsprechende Gefäß versorgt wird. Dies kann bis zu Nekrosen und in besonders schweren Fällen zur Erblindung des Patienten führen.
Heilpraktiker kann nicht schnell genug reagieren
Wird das Auftreten der Komplikation erkannt, so muss zum Schutze des Patienten im Rahmen des Notfallmanagements die Entscheidung für die richtige Therapie getroffen werden.
In der Regel ist die Therapie der Wahl, das betroffene Areal mit Hylase zu unterspritzen, dies führt zur Diffusion und Auflösung des eingebrachten Hyalurons. Das Spritzen von Hylase muss bei Auftreten eines Gefäßverschlusses unverzüglich erfolgen. Nach dem Facharztstandard – den aufgrund der Vorgaben des Patientenrechtegesetzes auch der Heilpraktiker einhalten muss – muss der Anwender von Hyaluronsäurefillern die Hylase als Notfallmedikament vorrätig halten.
Denn bereits die Zeit, die benötigt wird, um bei Auftreten eines Gefäßverschlusses das Arzneimittel von einer Apotheke zu beziehen, kann zu lang sein, um irreparable Schädigungen des Gewebes zu vermeiden.
Off-Label-Use stellt erhöhte Anforderungen an den Behandler
Bei Hylase handelt es sich um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel, das Nicht-Ärzte  –und zwar einschließlich der Berufsgruppe der Heilpraktiker – aufgrund der arzneimittelrechtlichen Vorschriften nicht ohne ärztliche Verordnung im Einzelfall und für den betroffenen Patienten beziehen dürfen. Und das ist auch gut so, denn es handelt sich um eine Anwendung im Off-Label-Use, was an den Arzt erhöhte Anforderungen hinsichtlich der Aufklärung des Patienten über etwaige Risiken angeht. Und, sehr wichtig: Der Anwender muss auch diese weiteren Risiken beherrschen könne. Denn Hylase kann allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock auslösen.
Aus Sicht ärztlicher Behandler ist es daher unverantwortlich, dass derzeit Faltenunterspritzungen mit Hyaluronsäure durch Heilpraktiker vorgenommen werden. Um Rechtssicherheit für alle Beteiligten und Behandlungssicherheit für die Patienten zu schaffen, ist de lege ferenda auf eine Verschreibungspflicht für Hyaluronsäurefiller zu drängen. Nur so kann sichergestellt werden, dass bereits die Produkte nur in Hand des Arztes zur Anwendung kommen. Umgehungsversuchen kann dann durch die Rechtsprechung ein Riegel vorgeschoben werden.
Hierauf zielen auch die Bestrebungen verschiedener medizinischer Fachgesellschaften unter Federführung der DGBT ab, die ein Gesetz zur Einschränkung der Anwendung von Filler-Unterspritzungen durch Laien – in diesem Falle eben auch der Heilpraktiker – einführen möchten.| 

Kontakt
Dr. jur. Gwendolyn Gemke
Sozietät Hartmannsgruber, Gemke,
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