Kälteunterstützte Lipolyse

Das Karussell dreht sich weiter

Die Streitigkeiten um Patentschutz für Geräte zur Kryo-Lipolyse gehen weiter. DERMAforum bringt ein Update und eine Bestandsaufnahme zum Business mit der Kälte.

Foto: Archiv
Kältetherapiesystem aus dem Bereich der Sportmedizin

Nach wie vor einen Hype unter den ästhetischen Therapieformen stellt die kälteunterstützte Lipolyse dar. Gefragt bei Patienten und Ärzten gleichermaßen nimmt die Zahl der Behandlungen rapide zu, doch auch die Negativ-Erfahrungen der „Behandlungsopfer“ von unsicheren und/oder nicht zugelassenen Geräten steigen. Über die Dunkelziffer kann nur spekuliert werden. Meldungen von Kälteverbrennungen werden bei der BfArM als oberste Überwachungsstelle nur ungern abgegeben. Der Mantel des Schweigens wird durch informelle, außerbehördliche und persönliche Arrangements zwischen häufig unqualifizierten Behandlern und den geschädigten Opfern, bei welchen ein „Grausystem“ zum Einsatz gekommen ist, über den Vorfall ausgebreitet.

Gerade diese Vorfälle mit teilweise schwerwiegenden Nebenwirkungen sind eben nur bei billigen Plagiaten zu finden, welche keine entsprechende medizinische Zulassung mit Implementierung der erforderlichen Sicherheitsstandards, wie z.B. ein Temperaturmonitoring an der Hautkontaktstelle, aufweisen.

Das sich hiervon essentiell unterscheidende und deutlich abgrenzende patentierte CoolSculpting®-Kryolipolyse®-System des Herstellers Zeltiq erfüllt eben diese Anforderungen mit der FDA-Clearance und der Zulassung als Medizinprodukt der Klasse IIa. Die Firma hat den Kampf gegen die Windmühlen und die billigen Nachahmer aufgenommen und wird nicht aufgeben, zum einen, um die Therapieform nicht weiter in Verruf geraten zu lassen und zum anderen, um seinen Patenten Geltung zu verschaffen.

 

Kampf gegen Windmühlen

 

Verständlicherweise ist es für Zeltiq, wie auch für andere betroffene Hersteller von ästhetischen Gerätschaften schwierig, gegen die unaufhaltsame Schwemme der asiatischen und europäischen Copy Cats vorzugehen. Über die letzten Jahre musste die unausweichliche Erfahrung gemacht werden, dass man nur ganz schwer der (Kontakt-)Daten der asiatischen „Hinterhof-Firmen“ habhaft werden konnte, sei es mangels entsprechender erforderlicher Kennzeichnung auf den Systemen, sei es mangels Listung dieser Firmen. Selbst für den Fall, dass man eine derartige „Produktionsstätte“ dingfest machen konnte, waren diese oftmals in der Lage, sogleich unter anderem Firmennamen und unter Austausch des Inhabers, ungeniert weiter zu machen.

Naheliegend ist es daher, primär den Fokus auf die europäischen (wenngleich deren Produktionshintergrund auch nicht vollends geklärt ist) Nachahmer-Systeme zu richten.

 

Im Fokus der Gerichte

 

Herausgegriffen hat sich das Unternehmen zunächst das spanische System namens „Lipocryo“ des Herstellers Clinipro. Während das Tribunal de Grande Instance de Paris (No RG: 11/18480) in erster Instanz auf Antrag von Zeltiq eine dauerhafte Unterlassungsverfügung gegen das kälteunterstützte Lipolyse-System „Lipocryo“ am 23. Mai 2013 erlassen hatte, vermochte das Handelsgericht Nr. 5 Barcelona (Juzgado Mercantil No de Barcelona J.O. 250/12-2) zuvor am 25. Januar 2013 keine Veranlassung des Einschreitens gegen den spanischen Hersteller Clinipro zu erkennen.

Steht in Frankreich die Berufungsentscheidung der nächsten Instanz noch aus, so ist in Spanien am 15. Mai 2014 bereits ein die Erstinstanz bestätigendes Berufungsurteil durch den zuständigen Gerichtshof in Barcelona ergangen.

Entgegen der weltweit gestreuten und jubelnden Pressemitteilungen von Clinipro hat das spanische Berufungsgericht aber nicht bestätigt, „dass die Patente der Kläger“ (scil. Zeltiq/MGH) „aufgrund des Mangels an erfinderischer Tätigkeit (das Verfahrenspatent) und des Mangels an Neuerungen (das Gerätepatent) aufgehoben werden und ungültig sind.“

Diese reißerische Meldung des spanischen Herstellers ist indes sehr grobschlächtig und undifferenzierend. Im Ergebnis wurde lediglich entschieden, dass die beiden verfahrensgegenständlichen Patente wegen angeblich mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit in Spanien gegen Clinipro nicht durchsetzbar sind. Zeltiq konnte sich damit nur in Spanien eben wegen dieser gerichtlichen Feststellung der mangelnden Durchsetzbarkeit auch nicht gegen das Lipocryo-System im wahrsten Sinne des Wortes durchsetzen. Dies hat keinen Einfluss auf andere Länder oder andere Firmen und beschränkt sich einzig und allein auf den spanischen Markt. Ersichtlich ist dies u.a. auch an dem leicht zeitversetzt laufenden Gerichtsverfahren in Frankreich, welches in Kenntnis des spanischen Urteils ausdrücklich eine komplett gegenteilige Entscheidung getroffen hat und dem spanischen Unternehmen das weitere Inverkehrbringen des Produktes auf dem französischen Markt untersagt hat.

 

Startschuss zu weiteren Klagen

 

Durch diesen partiellen Misserfolg in Spanien lässt sich Zeltiq offensichtlich nicht entmutigen und will nachlegen. Wie bereits in DERMAforum Nr.11/2013 berichtet, will sich Zeltiq mit einer proaktiven Vorgehensweise bei der Durchsetzung des geistigen Eigentums und der Marke sowohl national als auch international schützen und hat den Startschuss zu weiteren Patentklagen in anderen europäischen Ländern gegeben.

Es wird vermutlich nicht lange auf sich warten lassen, bis die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens im vor allem hier interessierenden Deutschland offiziell bekannt wird.

Im Raum München scheint ein derartiges gerichtliches Verfahren breits anhängig zu sein.

Es zeigt sich, dass wie angekündigt ein europaweiter Gerichtsmarathon in die Wege geleitet ist, um eben Land für Land „klare Verhältnisse“ zu schaffen.

Dies ist dem Umstand der Unabhängigkeit der jeweiligen nationalen Gerichte geschuldet.

 

Weiteres neues Patent

 

Dass Zeltiq jedoch nicht nur auf gerichtlicher Ebene einen neuen Anlauf nimmt, sondern auch noch in inhaltlicher Hinsicht nachlegt, zeigt sich an dem jüngsten „Kältepatent“ EP 2 241 295 B1, bei welchem insbesondere auf die Konturierung der Behandlungszone und das Einbringen der Haut in den Applikator abgestellt wird, welches auf verschiedene Art und Weise geschehen kann, sei es beispielsweise durch Vakuumeinsaugung oder durch Zusammendrücken der Haut, wobei es nicht auf diese exemplarischen Methoden beschränkt erfolgen kann. Es wird hiermit zur Verbesserung der Wirkung ein Wegziehen der zu behandelnden Haut von den (Wärme zuführenden) Blutgefäßen ermöglicht.

Hervorzuheben ist hierbei die Besonderheit, dass dieses neue Patent bis dato in keinem einzigen der bisherigen Gerichtsverfahren Gegenstand gewesen ist.

Es wird sich zeigen, wie die Nachahmer-Konkurrenz mit den anstehenden Gerichtsverfahren und dem jüngsten Patent umgehen wird.

Wähnen sich die Copy Cats angesichts der Entscheidung in Spanien in sicheren Gefilden, so werden sicherlich Zweifel an ihrer vermeintlich gefestigten Position aufkommen, sobald die Initiierung eines Gerichtsverfahrens in Deutschland bekannt wird. Zumindest all die Gerätschaften, welche potenziell die Patente von Zeltiq/MGH tangieren, werden sich zumindest einem Argumentationsnotstand ausgesetzt sehen.

Selbst der Klagegegner Clinipro hat ein „neues revolutionäres" kälteunterstütztes Lipolyse-System namens „LipoContrast“ als Nachfolger des streitgegenständlichen Gerätes „LipoCryo“ auf den Markt gebracht. Es fragt sich, ob dies ein Marketing-Schachzug ist und warum das kurzfristige Nachschieben eines weiteren Systems als notwendig erachtet wurde. Ist das Vertrauen in das eigene Gerät verloren oder zeigt sich hier die Unsicherheit bzgl der zum Einsatz kommenden Technologie? Nach außen hin wird die Ergebnisoptimierung für das neue System kommuniziert. Der Frage, inwieweit auch bei diesem Gerät Patente berührt werden, ist noch nicht nachgegangen worden und und kann ebenfalls noch einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden. Zumindest ist klar, dass keine komplett neue Technologie zum Einsatz gekommen ist.

Damit stellt sich die Frage, ob es im Bereich der kälteunterstützten Lipolyse neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt. Welche Relevanz hat der jeweilige Fett- und Wassergehalt der behandelten Zelle? Welche Bedeutung hat die Relation von weißen, braunen und beigen Fettzellen? Was hat es mit der Differenzierung von Zellen und Geweben im Kontext der kälteunterstützten Lipolyse auf sich? All diese Fragestellungen bedürfen einer weiteren dezidierten wissenschaftlichen Analyse und Validierung.ve/rb