Dermale Adipozyten – Mögliche Konsequenzen für Dermatologie und ästhetische Medizin
Ob und wie dermale Adipozyten einen Paradigmenwechsel in Dermatologie und Ästhetik einläuten, erläutern Dr. rer. nat. habil. Ilja L. Kruglikov, Karlsruhe, und Prof. Philipp E. Scherer, Ph.D. , Dallas, USA.
Ein wichtiges „Postulat“ der Dermatologie lautet, dass die phänotypischen Merkmale der in der Haut angesiedelten Zellen sich mit der Zeit nicht wesentlich verändern. Zum Beispiel, ein Fibroblast muss immer ein Fibroblast bleiben und hauptsächlich Kollagen und die anderen Komponenten der extrazellulären Matrix produzieren, was u. a. die Stabilität von Hautstrukturen garantieren sollte. Wenn aber feststeht, dass epitheliale und mesenchymale Zellen sich hin und her umwandeln können, dass Myofibroblasten in Wirklichkeit keine terminal differenzierten Zellen sind und sich re-differenzieren können, und dass die Adipozyten (die eigentlich gar nichts in der Haut zu suchen haben) sich sogar dort in die Myofibroblasten transdifferenzieren lassen, kann die heile Welt der Dermatologie sowie die weniger heile, wobei immer noch einigermaßen angeordnete Welt der ästhetischen Medizin stark ins Wanken geraten. Dann muss früher oder später eine Revision vorgenommen werden. Es scheint, dass genau so eine Revision gerade stattfindet – und schuld daran sind die sogenannten „dermalen Adipozyten“.
Dr. rer. nat. habil. Ilja L. Kruglikov (l) und Prof. Philipp E. Scherer, Ph.D. (Fotos: privat)
Adipozyten in der Haut sollten – entsprechend allen bekannten Hautmodellen – eigentlich Exoten sein, die keine wichtige physiologische Rolle spielen. Dafür spricht die kleine Anzahl dieser Zellen
in der Haut im Vergleich zu solchen Global Playern wie Fibroblasten und Keratinozyten. Allein aus diesem Grunde sollte schon klar sein, dass solche Prozesse wie z. B. Wundheilung, Narbenbildung
oder Hautalterung im besten Fall nur am Rande mit Adipozyten etwas zu tun haben sollten. Sie sollten nichts damit zu tun haben, haben es aber trotzdem. Es ist schon lange bekannt, dass zwei
anatomisch unterschiedliche Schichten des adipozytären Gewebes sich unter retikulärer Dermis befinden. Bei Nagetieren sind diese Schichten durch einen quergestreiften Muskel (sog. panniculus
carnosus) voneinander getrennt und somit deutlich visualisierbar. In der menschlichen Haut sind dermale Adipozyten auch präsent; sie konzentrieren sich allerdings hauptsächlich um die
Haarfollikel (HF) herum (s. Abb.). Solche lokalen Ansammlungen von Adipozyten wurden als „dermale Konusse“ bezeichnet. Anatomisch gesehen werden unter dermalen Adipozyten nur in der Dermis
platzierte Fettzellen verstanden; phänotypisch gesehen können sich diese Adipozyten allerdings auch in der oberen subkutanen Schicht befinden. Das kann die Anzahl von „untypischen“ Adipozyten
deutlich vergrößern und ihre scheinbare räumliche Verteilung verändern.
Es ist schon bemerkenswert, dass bei Menschen diese Strukturen mosaikförmig und bei Nagetieren in Form von kontinuierlichen parallel verlaufenden Schichten erscheinen. Allerdings noch viel
interessanter ist die festgestellte räumliche Korrelation zwischen „dermalen Konussen“ und der Erscheinung von hypertrophen Narben: Die Wahrscheinlichkeit einer Narbenbildung dort, wo solche
Strukturen nicht vorhanden oder stark reduziert sind (z. B. Fötus, Handfläche, Stirn), ist deutlich geringer als an solchen Stellen, wo diese Strukturen massiv erscheinen (z. B. Wangen, Brust,
Bauch, Rücken, Hüften, Beine usw.).
Eine Korrelation ist noch kein Beweis, sondern lediglich ein Hinweis, darum wurde sie zuerst nicht wirklich wahrgenommen. Letztendlich sollten arealbezogene Unterschiede im Gehalt von dermalen
Adipozyten auch nicht wirklich interessant sein, weil diese in der Physiologie der Haut kaum eine wichtige Rolle spielen dürften.
Typische dWAT-Strukturen bei Mäusen und Menschen: (A links) dWAT in der C57/BI6 Maus bei Raumtemperaturen bildet mehrschichtige Struktur oberhalb der panniculus carnosus. (B mitte) Deutliche Erweiterung der dWAT in der C57/BI6 Maus nach einer Kälteexposition (6 °C, 4 Tage); (C rechts) Dermale Adipozyten in der menschlichen Haut bilden „dermale Konusse“ um die Haarfollikel herum. (Mit freundlicher Genehmigung von Trends Endocrin Metab [3])
Bemerkungswerter Werdegang – vom Exoten zum Global Player
Diese Sichtweise hat sich in den letzten Jahren komplett verändert, nachdem festgestellt wurde, dass diese Adipozyten
Obwohl alle diese Eigenschaften an verschiedenen Mäusemodellen festgestellt wurden, gibt es aktuell kaum Zweifel, dass die meisten von ihnen auch für die menschliche Haut gelten.
Wandlungsfähige und schnelle „Chimären“
Adipozyten, die normalerweise sehr träge sind und im subkutanen weißen Fettgewebe (sWAT) einen Umschlagsfaktor von etwa zehn Jahren haben, demonstrieren in der Dermis eine viel höhere Dynamik,
die mit charakteristischen Zeiten die typisch für HF-Zyklus oder sogar für die Wundheilung verläuft. Das bedeutet, dass eine lokale Adipogenese innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen realisiert
werden kann. Passiert das nicht, gibt es gravierende Probleme: Eine Maus mit genetischer Lipoatrophie, die systemisch keine reifen Adipozyten besitzt, demonstriert eine fehlerhafte
Fibroblasten-Neubildung und eine instabile Wundheilung.
Aber nicht nur die Dynamik, sondern auch die phänotypische Flexibilität von diesen Zellen sorgte für Überraschung. Anfang 2015 erschien eine wichtige Arbeit [1: Marangoni RG et al. Arthritis
Rheumatol 2015: 67: 1062-1073], die demonstrierte, dass dermale Adipozyten sich in Myofibroblasten umwandeln können. Es wurde gezeigt, dass eine kutane Fibrose mit dem Verlust von dermalen
Adipozyten stark korreliert und dass die Myofibroblasten aus adiponektin-positiven intradermalen Zellen produziert werden. Dieser Effekt wurde Adipozyt-Myofibroblast-Transformation genannt und es
scheint, dass diese neue Art der Zelldifferenzierung in verschiedenen physiologischen und pathologischen Prozessen und nicht nur in kutaner Fibrose eine große Rolle spielen kann. Daraus
resultiert eine paradoxe Situation: Dermale Adipozyten werden essenziell für eine vollständige Wundheilung gebraucht; gleichzeitig stellen sie wegen ihrer potenziellen Umwandlung in
Myofibroblasten ein Risiko der hypertrophen Narbenbildung dar.
Vor wenigen Jahren wurde vermutet, dass die Adipozyten sich in die Epithelzellen und zurück transdifferenzieren können [2: Morroni M et al. PNAS 2004: 101: 16801-16806], was eine andere
Art der phänotypischen Flexibilität dieser Zellen darstellt. Später wurde behauptet, dass die Zellen mit intermediärem adipo-epithelialem Phänotyp sich in der Brustdrüse während und nach der
Schwangerschaft befinden sollten.
Noch weiter sind jetzt die Autoren gegangen, die neulich vorgeschlagen haben, dass dermale Adipozyten „Chimären“ sein sollten, weil sie unterschiedliche phänotypische Merkmale tragen und
mit einem Phänotypenwechsel schnell auf Umgebungsbedingungen reagieren können [3: Kruglikov I, Scherer P. Trends Endocrin Metab 2015: doi: 10.1016/j.tem.2015.11.002]. Diese Eigenschaft
sollte der Hauptgrund dafür sein, warum dermale Adipozyten in sehr unterschiedliche physiologische und pathologische Prozesse involviert sein sollten. Somit unterscheiden sich dermale Adipozyten
stark von konventionellen Adipozyten im sWAT. Um diesen Unterschied deutlich zu machen und die Bedeutung von dermalen Adipozyten hervorzuheben, wurde sogar ein neues Fettdepot – dWAT („dermal
white adipose tissue“) – definiert. Wie unterschiedlich diese zwei Fettdepots sind, kann am Beispiel der Thermoregulation erläutert werden: während sWAT auf milde Kälte mit Glyzerin-Freisetzung
and Produktion von braunen/„beigen“ Adipozyten reagiert, zeigt dWAT bei gleichen Temperaturen eine bis zu vierfache Verdickung.
Man hat schon lange vermutet, dass Adipozyten immunologisch aktiv sein können. Vor Kurzem konnte diese Reaktion für dermale Adipozyten nachgewiesen werden [4: Zhang LJ et al. Science 2015:
347: 67-71]. Nachdem die Mäusehaut mit S. aureus infiziert wurde, reagierte dWAT mit einer schnellen Proliferation von Präadipozyten und mehrfacher Verdickung. Gleichzeitig demonstrieren
Mäuse mit inhibierter Fettexpansion eine reduzierte Abwehrreaktion auf S. aureus.
Solch eine Reaktion sollte angeblich durch die von Adipozyten produzierten Cathelicidine (antimikrobielle Peptide) realisiert werden. Das kann eine unerwartete Brücke zwischen dermalen Adipozyten
und Hauteffloreszenzen schlagen. Dafür spricht die Tatsache, dass Cathelicidin pro-inflammatorisch wirkt und bei Rosazea, Akne und Psoriasis stark in der betroffenen Haut erhöht ist.
Das kann die Erscheinung von Hauteffloreszenzen in Verbindung mit Volumen und physiologischen Aktivitäten von dWAT bringen [3]. Schnelle Volumen-Modulation im Fettgewebe ist nicht
ungewöhnlich, besonders wenn berücksichtigt wird, dass eine Entzündung die lokale Adipogenese stark stimulieren kann und für eine gesunde Remodellierung des Fettgewebes essenziell ist.
Alterungsprozesse sind generell mit dem Abbau von Fettdepots und steigender lokaler Fibrosierung verbunden. Adipozytäre Involution kann durch Verkleinerung von einzelnen Adipozyten, durch Zelltod
oder durch Differenzierung von diesen Zellen in andere Zellen realisiert werden.
Die oben beschriebenen Differenzierungs-Prozesse, bei welchen Adipozyten sich in die Epithelzellen oder in Myofibroblasten verwandeln, sind generell mit lokalen Volumenverlusten des Gewebes
verbunden.
Es gibt starke Argumente dafür, dass dermale Adipozyten mindestens in die photoinduzierte Hautalterung involviert sein könnten.
In verschiedenen Experimenten wurde gezeigt, dass eine chronische UV-Bestrahlung von haarlosen Mäusen eine starke Involution von dWAT mit der Bildung von Fibrose und Akkumulierung von Hyaluronan
induziert. Weil dabei keine Verdickung der Dermis festgestellt wurde, könnte an dieser Stelle vermutet werden, dass mindestens im Falle einer photoinduzierten Hautalterung die oben beschriebenen
Prozesse der Adipozyt-Myofibroblast Transformation [1] eine wichtige pathophysiologische Rolle spielen.
Weil besondere Eigenschaften von dermalen Adipozyten nicht weiter ignoriert werden können, ist zu vermuten, dass grundlegende Veränderungen demnächst in einigen dermatologischen und ästhetischen
Behandlungskonzepten zu erwarten sind. Physikalische Faktoren, die adipöse Stammzellen und reife Adipozyten modulieren können, sind in einigen Fällen ähnlich zu solchen Faktoren, die zur
Neokollagenese-Stimulation angewendet werden. Auf der anderen Seite gibt es hier auch große Unterschiede.
Zum Beispiel kann die Stimulation von Adipozyten durch Kälte hervorgerufen werden; Kältebehandlungen führen allerdings nicht zu einer Kollagenstimulation. Wobei einige der gezielten
Stimulations-Möglichkeiten von dWAT schon bekannt sind; weitere Arbeit wird notwendig sein, um die Hautsymphonie richtig spielen zu können.
Eine Besonderheit der Stimulation von dermalen Adipozyten liegt darin, dass sie sich an der Grenze Dermis/Subkutis befinden. Eine optimale Stimulation von diesen Zellen fordert somit die
Konzentration von stimulierenden Kräften genau in dieser Region und nicht in der oberen Dermis oder in der Subkutis.
Wahrscheinlich wird sich damit zum ersten Mal der Interessenbereich von Gewebsvolumen auf eine Grenzschicht reduzieren. Solcher Paradigmenwechsel kann dazu führen, dass verschiedene
dermatologische und ästhetische Indikationen nicht mit eigenständigen, sondern nur mit gewissen Kombinationsmethoden optimal behandelt werden können.
Darüber hinaus ist zu vermuten, dass eine optimale Stimulation von dermalen Adipozyten eine deutlich erhöhte Behandlungshäufigkeit verlangen sollte und somit ambulant nicht unbedingt realisiert
werden kann. Als Konsequenz sollten in der Zukunft die Patienten stärker in den Behandlungsprozess involviert werden.