Techniken der Otoplastik heute

Gutes ästhetisches Ergebnis

Die verschiedenen Techniken, abstehende Ohren ästhetisch zu korrigieren, erläuterte Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Ralf Siegert, Recklinghausen, auf der Cosmedica 2013 in Bochum.

Foto: Siegert
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Ralf Siegert

Abstehende Ohren sind die häufigste Fehlbildung der Ohrmuschel. Ätiologisch handelt es sich um eine hereditäre Fehlbildung mit familiärer Häufung. Neben genetischen Faktoren kommen auch Umwelteinflüsse während der Entwicklung und Wanderung der Ohrmuschel im zweiten Trimenon als Ursache in Frage.
Verschiedene Aspekte, die zum Abstehen der Ohrmuschel führen können, müssen bei der präoperativen Analyse berücksichtigt werden. Ein wesentliches Merkmal abstehender Ohren ist eine Vergrößerung des Helix-Mastoidabstands auf mehr als 20 mm. Anthropometrische Untersuchungen ergaben bei normal anliegenden Ohren einen durchschnittlichen Abstand der Helix vom Mastoid von 16 bis 20 mm bei Erwachsenen. Entscheidend für die Ästhetik der Ohrmuschel ist aber nicht der retroaurikuläre Abstand der Helixkante zum Mastoid oder der entsprechende Winkel, sondern wie breit die Ohrmuschel beim Blick von vorn wirkt. Nach unseren eigenen, computerunterstützten anthropometrischen Messungen von über 1.000 zufällig ausgewählten „normalen“ Ohrmuscheln beträgt die Breite der Ohrmuschel 20 ± 4 mm. Eine Ohrmuschel mit einer Breite von bis zu 28 mm stellt damit eine Normvariante dar, eine darüber hinausgehende Veränderung ist eine Fehlbildung. Dies ist für die Diskussion mit den Kostenträgern von großer Bedeutung.
Ursache für eine Vergrößerung dieses Abstands kann eine fehlende Rotation des Cavums mit einer Vergrößerung des Cavum-Mastoid-Winkels sein. Dies führt so zu einer Pseudo-Concha-Hyperplasie und einer Protrusion der gesamten Ohrmuschel. Ebenso führt die sehr viel seltenere echte Conchahyperplasie zu einem Abstehen der gesamten Ohrmuschel. Neben den Veränderungen am Cavum conchae findet man bei abstehenden Ohren sehr häufig eine Anthelixhypoplasie. Die Anthelixfalte und das Crus superius sind in solchen Fällen kaum oder gar nicht ausgebildet. Es kommt zu einer Abflachung der Scapha und der Fossa triangularis und der Helixrand wölbt sich nach ventral. Je nachdem, in welchen Bereichen die Anthelixfalte nicht ausgebildet oder hypoplastisch ist, kommt es zu einem Abstehen der Ohrmuschel im oberen oder mittleren Bereich.
Für die Differenzialindikation der anzuwendenden Technik sind auch Veränderungen der Knorpeldicke und Konsistenz zu beachten. Die Bandbreite reicht von sehr weichem und dünnem Knorpel beim „Machiavelli“-Ohr bis hin zu sehr dickem und festem Knorpel bei der Tassenohrdeformität und erst recht bei posttraumatisch erworbenen Verdickungen und Verkalkungen wie beim sog. „Ringerohr“.
Die Stellung des Lobulus ist abhängig von der Cavumrotation und der Anthelixfalte. Er kann jedoch auch unabhängig von der restlichen Ohrmuschel abstehen oder fehlgebildet sein. Die Beurteilung der Lobulusform und -stellung ist ein wichtiger Punkt in der präoperativen Analyse der Fehlbildung und muss in die OP-Planung einbezogen werden.
Neben der differenzierten Beurteilung des Cavums, der Anthelixfalte und des Lobulus führt die Betrachtung des gesamten ästhetischen Bildes zur konkreten Operationsplanung.

Abstehende Ohren vor und nach OP

 

Nahttechnik – Technik nach Mustardé


In den frühen 1960er Jahren beschrieb Mustardé eine reine Nahttechnik zur Faltung einer fehlenden oder hypoplastischen Anthelixfalte. Über einen retroauriculären bogenförmigen Hautschnitt parallel zum Helixrand wird der Ohrmuschelknorpel dargestellt. Das Perichondrium und der Ohrmuschelknorpel bleiben intakt. Von ventral wird die neu zu bildende Falte mit Nadeln und gegebenenfalls Methylenblau markiert und anschließend die Anthelixfalte mit mehreren, nicht resorbierbaren Matratzennähten fixiert. Die Technik kann und sollte bei Bedarf mit einer Cavumrotation oder Lobulusplastik kombiniert werden.


Ritztechniken nach Chongchet, Crikelair, Stenström


Ebenfalls in den frühen 1960er Jahren beschrieben Chongchet und Crike‧lair eine anteriore Knorpelritztechnik mit posteriorem Zugang. Basierend auf den Erkenntnissen von Gibson und Davis, die zeigen konnten, dass einseitig geritzter Knorpel mit einer konkaven Verbiegung zur Seite der Ritzung reagiert, empfiehlt Chongchet eine anteriore Ritzung des Ohrmuschelknorpels zur Ausbildung einer Anthelixfalte. Nach retroauriculärem Zugang wird der Ohrmuschelknorpel ebenso wie bei der „Mustardé-Technik“ dargestellt und die Anthelixfalte mit Nadeln von anterior markiert. Es erfolgt eine Inzision des Knorpels im Bereich der Scapha und man präpariert einen Haut-Perochidrium-Lappen auf der Vorderseite der Ohrmuschel. Die Anthelixfalte wird exponiert und durch anteriore Ritzung des Knorpels wird eine konkave Wölbung der Anthelixfalte einschließlich der Crura provoziert.
Bei der Technik nach Stenström wird ebenfalls über einen posterioren Zugang der Knorpel anterior geritzt. Der Zugang nach anterior erfolgt über eine Inzision des Knorpels von der Cauda helicis bis zur Scapha. Nach Abheben des Perichondriums wird der Knorpel mit Raspeln blind geriffelt.
Eine Modifikation besteht in der zusätzlichen Verwendung von fixierenden Nähten zur Ausbildung der Anthelixfalte, wie sie Nolst Trenité beschrieben hat. Dies vermindert auch bei sehr festem Knorpel die Rezidivhäufigkeit.
Sowohl Chongchet als auch Stenström führen retroauriculär eine spindelförmige Hautexcision durch. Beide Techniken können bei Bedarf mit einer Cavumrotation oder Lobulusplastik kombiniert werden.


Naht-/Ritztechniken – Technik nach Converse


Bei der Converse-Technik handelt es sich um ein Verfahren zur Faltung der Anthelix, bei dem Ritz- und Nahttechniken kombiniert werden. Nach posteriorem Zugang und Darstellung des Ohrmuschelknorpels wird die Anthelixfalte einschließlich des Crus superius von anterior mit Nadeln und gegebenenfalls Methylenblau markiert. Drei inkomplette, bogenförmige Inzisionen geben die Form der Anthelix vor und unterstützen die Faltung. Die neu gebildete Anthelixfalte wird durch nicht resorbierbare Nähte fixiert. Auch diese Technik lässt sich mit einer Cavumrotation oder Lobulusplastik kombinieren.


Cavumrotation – Technik nach Furnas


Bei reiner Cavumhyperplasie beziehungsweise zu großem Winkel zwischen Cavum und Mastoid oder in Kombination mit den beschriebenen Techniken zur Anthelixplastik kann durch Rotation des Cavums die gesamte Ohrmuschel angelegt und der Abstand zwischen Helixrand und Mastoid verringert werden. Über einen retroauriculären Zugang werden das retroauriculäre Bindegewebe und die Muskulatur reseziert, wobei die Temporalisfaszie zur Vermeidung von Blutungen geschont wird. Nach Mobilisation des Cavums wird die Ohrmuschel nach dorsal rotiert und mithilfe von resorbierbaren Nähten am Periost des Mastoids fixiert. Die Technik kann mit einer Anthelixplastik oder Lobulusplastik kombiniert werden.
Behandlung desabstehenden Lobulus – Technik nach Siegert
Bei abstehendem Lobulus wird am kaudalen Ende der Inzision das Bindegewebe in Richtung Lobulus präpariert und die ventrale und dorsale Haut separiert. Anschließend legt man eine Matratzennaht durch den Rand des Lobulus und das Cavum und zieht so den Lobulus an das Cavum heran.


Auswahl der Operationstechnik


In den meisten Fällen einer Anthelixhypoplasie erreicht man mithilfe der Converse-Technik, das heißt mit der Kombination aus posteriorer Ritzung und fixierender Naht ein gutes ästhetisches Ergebnis. Bei normal dickem Knorpel reicht die posteriore Ritzung und zusätzliche Naht aus, um die Anthelixfalte dauerhaft in der neu gebildeten Form zu halten. Die Converse-Technik ist im Vergleich zu den anterioren Ritztechniken einfacher zu erlernen und die Operationsrisiken und Komplikationsraten sind kleiner. In einer eigenen Untersuchung konnten wir zeigen, dass in über 90 Prozent der Fälle die Patienten mit dem ästhetischen Ergebnis zufrieden sind.
Liegt eine Anthelixhypoplasie mit sehr dünnem Knorpel vor, kann im Einzelfall die reine Nahttechnik nach Mustardé erfolgreich sein. Sie ist weniger aufwendig und die Risiken und Komplikationsraten sind kleiner.
Bei Anthelixhypoplasie und sehr festem Knorpel mit hoher Rückstelltendenz, z.B. bei Tassenohrdeformitäten, ist die zusätzliche Anwendung von anterioren Ritztechniken am erfolgreichsten. Bei besonders rigidem Knorpel kann die Anthelixfalte gegebenenfalls durch zusätzliche Matratzennähte fixiert werden. Die Anwendung der anterioren Ritztechniken erfordert ausreichende Erfahrung des Operateurs, da bei unsachgemäßer Durchführung ästhetisch unbefriedigende Ergebnisse und Komplikationen resultieren können.
Zeigt sich bei der präoperativen Untersuchung eine Cavumhyperplasie oder ist das Cavum nach ventral rotiert, sollte eine Cavumrotation auch in Kombination mit einer Anthelixplastik durchgeführt werden. Besteht eine Protrusion des Lobulus, so sollte in Ergänzung zur Anthelixplastik und der Cavumrotation zusätzlich eine Lobulusplastik durchgeführt werden. Zum Teil ergibt sich die Lobulus-Protrusion erst nach Durchführung der Cavumrotation, sodass zum Ende der Operation die Stellung des Lobulus immer kritisch geprüft und vermessen werden sollte.
Eine abschließende, retroauriculäre Hautresektion sollte grundsätzlich sparsam durchgeführt werden, da eine entstehende Hautspannung als Kofaktor bei der Entstehung von Keloiden angesehen wird.


Nachbehandlung


Im Rahmen der Nachbehandlung verwenden wir Betaisodona-Vaseline-Salbenkompressen und einen Schaumstoff-Schutzverband nach Siegert für die Ohrmuscheln für die Dauer von sieben Tagen. Druckverbände sollten wegen der Gefahr von Durchblutungsstörungen der Ohrmuschel vermieden werden. Für weitere sechs Wochen raten wir zum Tragen eines Stirnbands über Nacht. Zur Erfolgskontrolle, abschließenden Begutachtung des Operationsergebnisses und zur Fotodokumentation bieten wir eine Wiedervorstellung nach Ablauf eines Jahres an.