Große Erfolge bei der Behandlung des Hereditären Angioödems (HAE)

20 Jahre Deutsche Gesellschaft für Angioödeme

Zum 20. Mal traf sich Ende November 2015 die Deutsche Gesellschaft für Angioödeme (DGA), zu der der Vorsitzende, Prof. Dr med. Konrad Bork von der Haut­klinik der Universitätsmedizin Mainz, eingeladen hatte.

Bei der Veranstaltung in Mainz waren zahlreiche Gäste anwesend, darunter auch etliche ärztliche Kollegen aus dem In- und Ausland sowie Vertreterinnen der Selbsthilfegruppe HAE-Vereinigung e. V. „Gemeinsam mit der Patientenvereinigung haben wir viel erreicht, aber es gibt noch viel zu tun“, so das Fazit von Bork. Ein wichtiger Aspekt ist die Entwicklung verschiedener Therapieoptionen, wodurch sich das Leben vieler betroffener HAE-Patienten grundlegend geändert hat.
In seinem Vortrag beleuchtete Bork die Entwicklung der HAE-Therapien sowie die aktuellen medikamentösen Optionen zur Akuttherapie und Langzeitprophylaxe. Erstmals behandelt wurde das HAE 1960 mittels Androgenen, obwohl die Ursache der Erkrankung damals noch gar nicht bekannt war. Erst 1963 entdeckte Virginia Donaldson den dem hereditären Angioödem zugrunde liegenden Mangel an C1-Esterase-Inhibitor (C1-INH). Zehn Jahre später erfolgte dann die erste Behandlung eines HAE-Patienten mit einem C1-Esterase-Inhibitor der damaligen Behringwerke durch D. Brackertz. Damit gelang der Durchbruch in der HAE-Therapie, denn diese medikamentöse Option hat das Leben und die Prognose von HAE-Patienten von Grund auf verändert. Wer an einem hereditären Angioödem leidet, erlebt wiederkehrende Hautschwellungen mit Entstellung und Bewegungseinschränkungen sowie kolikartige Schmerzen im Magen-Darmtrakt, eventuell mit Durchfall und Erbrechen. Besonders gefährlich sind Schwellungen in den oberen Atemwegen, die im Extremfall zum Erstickungstod führen können. „Glücklicherweise mussten wir im vergangenen Jahr wie auch in den Jahren zuvor keinen Todesfall durch Ersticken verzeichnen, auch keine Dauerschäden durch die Erkrankung. Das ist ein großartiger Erfolg“, so Bork.
Eindrucksvoll schilderte Daniela Weinert, 2. Vorsitzende der Patientenvereinigung, ihren Leidensweg mit der Erkrankung, der im Alter von ca. neun Jahren begann und sie zu vielen Ärzten führte. Jahrelang wurden ihre Symptome als psychogen abgetan und ihr Psychopharmaka sowie Psychotherapie empfohlen. Erst im Alter von 18 Jahren, nachdem äußerst starke Bauch-Attacken auftraten sowie massive Gesichtsschwellungen nach einem Zahnarztbesuch, stellte der Hausarzt die Verdachtsdiagnose HAE, die sich kurz darauf bestätigte. Seither konnte die Patientin adäquat medikamentös behandelt werden und fand in der Selbsthilfegruppe andere Betroffene, die sie unterstützten. „Mein Leben hat sich mit der Diagnose grundlegend geändert und als ich dann noch lernte, mir mein Medikament in der Heimselbsttherapie eigenständig zu verabreichen, konnte endlich wieder Normalität einkehren.“
Anschließend berichtete Prof. Dr. med. Bas aus der HNO-Klinik der Technischen Universität München in seinem Vortrag über Therapiemöglichkeiten und -erfahrungen bei Angioödemen, die durch ACE-Hemmer und ATI-Rezeptorblocker ausgelöst werden. Problematisch sei, dass Erstmanifestationen häufig erst nach Jahren der Medikamenteneinnahme auftreten und häufig nicht als solche erkannt werden. Auch viele Notärzte wüssten nicht über das Krankheitsbild Bescheid. Danach stand die Pathophysiologie des HAE im Fokus des Referates von Privatdozent Dr. Peter Späth aus Bern und Frau Dr. med. Martinez-Saguer aus dem Hämophilie-Zentrum Rhein Main berichtete über die rationale Basis für eine subkutane Therapie des HAE sowie über aktuell laufende Studien zur subkutanen Anwendung des C1-Esterase-Inhibitors. „Die Vorteile einer subkutanen Anwendung sind die unkomplizierte Handhabung, die gute Verträglichkeit sowie möglicherweise der Aufbau eines stabilen C1-INH-Plasmalevels mit entsprechenden Vorteilen für die prophylaktische Anwendung“, erläuterte die Referentin. Prof. Dr. med. Magerl aus Berlin sprach über zukünftige Therapien bei HAE und erklärte die Wirkmechanismen und Potenziale von neuen Kallikrein-Inhibitoren, eines Faktor-XIIa-Inhibitors sowie Prekallikrein-Hemmern im Hinblick auf HAE.
Zum Schluss der Veranstaltung berichtete Lucia Schauf, die 1. Vorsitzende der Patientenvereinigung, über Neuigkeiten aus der HAE-Selbsthilfegruppe. Hier erläuterte sie u. a. das HAErkules-Projekt, das Freundschaften von betroffenen Kindern und Jugendlichen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz unterstützt. Abschließend bedankte sie sich bei dem Vorsitzenden für seine Unterstützung in den vergangenen 20 Jahren. „Mit unserer Gesellschaft sind wir an vielen wissenschaftlichen Aktivitäten beteiligt und unterstützen die Aufklärungsarbeit über die Erkrankung HAE. Hier haben wir schon viel erreicht, aber trotzdem ist es wichtig, weiterhin in der Bevölkerung aufzuklären, denn es gibt immer noch viele unerkannte und dadurch gefährdete Patienten mit einer der verschiedenen Angioödemformen“, so das Fazit von Bork am Ende der Veranstaltung.                                                         mt