Behandlung chronischer Wunden – Teil 2

Stadiengerechte Wundbehandlung durchführen

Im zweiten Teil des Berichts zum Therapiekonzept zur Behandlung chronischer Wunden mit der Kombination Manuelle Lymphdrainage, moderne Wundbehandlung, Kompressionstherapie und Sprunggelenks- u. Gefäßtraining erläutert der Hamburger Lymphdrainagetherapeut Hauke Cornelsen die Wundversorgung.

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Hauke Cornelsen – Lymphdrainagetherapeut, Wundtherapeut/WTcert®, DGfW Physiotherapeut, Gefäßsporttrainer nach BGPR

Entzündungsbedingt kommt es zum Austritt von Flüssigkeit und Zellen aus dem Blut- und Lymphgefäßsystem. Dieses Exsudat kann je nach Zusammensetzung serös, serös/eitrig, fibrinös, hämorrhagisch oder jauchig sein. Was können wir mit der manuellen Lymphdrainage bzw. komplexen physikalischen Therapie und der Kompressionstherapie an der Exsudatmenge bewirken und kann Exsudat umgeleitet oder abgeleitet werden?

Bei den ersten fünf bis sechs Behandlungen mittels manueller Lymphdrainage zeigt sich in der Wundtherapie ein vermehrtes Exsudataufkommen. Dieses vermindert sich infolge der Behandlung. Die Erklärung hierfür ist, dass durch die starke Erhöhung der Lymphangiomotorik die Zwischenzellflüssigkeit besser abdrainiert wird. Es handelt sich hier um einen klinischen Befund, der studienseitig noch nicht gesichert ist.


Trockene Nekrosen vom Arzt beurteilen lassen


Was sollte, muss man wissen, beurteilen können als Therapeut? Man sollte die ABI-Werte, also die Perfusionsdrücke, die arteriellen Werte verstehen und beurteilen können und die Kompressionstherapie darauf ausrichten. Dies ist von essenzieller Bedeutung. Peinlich ist darauf zu achten, dass in der Wundtherapie, noch mehr als nur in der reinen Lymphtherapie, nicht mit zu hohen Kompressionsdrücken gearbeitet wird, da bei der Wundtherapie eine arterielle Komponente bei der Ursache der Verletzung immer mit zu berücksichtigen ist!

Man sollte wissen, dass eine trockene Nekrose nicht mit feuchter Wundauflage behandelt werden soll, sondern dass diese durch den ausgebildeten Arzt zu entfernen ist. Wenn sich unter feuchter Wundbehandlung eine trockne Nekrose löst, könnte es zu Blutungen kommen, die zu kontrollieren der Physiotherapeut nicht in der Lage wäre. Trockene Nekrosen gehören zuerst in die ärztliche Beurteilung und danach in die Behandlung des Therapeuten.

Die Schmerzen der Patienten zu beurteilen und zu verstehen ist eine wesentliche Aufgabe des Therapeuten. Der Patient muss in diesen Dingen sehr ernst genommen werden. Es ist ein ganz wichtiger Punkt, dass der Patient sich mit seinen Schmerzen ernst genommen fühlt und die Therapeuten nicht einfach darüber hinweggehen. Therapeuten sollten in der Lage sein, eine stadiengerechte Wundbehandlung durchzuführen, hierbei ist auch die Wirtschaftlichkeit zu bedenken: Wundauflagen und modernes Wundmanagement sind von hohen Therapie- und Materialkosten geprägt. Solche Verfahren sind daher sehr kostenintensiv.

Das Robert-Koch-Institut empfiehlt, beim Verbandwechsel nur sterile Materialien zu verwenden. Leitungswasser gilt als nicht keimfrei und sollte nicht zur Wundbehandlung eingesetzt werden. Verwendet werden können sterile, neutrale Spüllösungen, wie Ringer oder NaCl 0.9%, Spüllösungen mit chemischen Zusätzen, wie polyhexanid- oder octenidienhaltige Antiseptika. Welche Präparate eingesetzt werden und wie lange sie eingesetzt werden dürfen, muss der Wundtherapeut in seiner Ausbildung lernen, die vom Produkthersteller gegebenen Empfehlungen sind einzuhalten.


Anforderung an Wundauflagen


Wundauflagen bei chronischen Wunden sollte bestimmte Eigenschaften besitzen:

  • Gasaustausch (Sauerstoff) gewährleisten, also nicht okklusiv wirken. Ein solches Milieu würde die Ausbildung anaerober Infekte begünstigen.

  • Rasche Aufnahme von überschüssigem Exsudat bei Erhalt des optimalen physiologischen Feuchtigkeitsmilieus in der Wunde,

  • Aufnahme- und Rückhaltevermögen angepasst an das Exsudataufkommen und die Verbandswechselfrequenz,

  • Schutz vor Trauma, wie z. B. durch eingewachsene Kapillare oder Verklebungen in die Wundauflage,

  • Schutz vor Fremdpartikeln und Sekundärinfekten,

  • gleichmäßiger Kontakt mit dem Wundgrund,

  • Sterilität,

  • Hypoallergenität,

  • rückstandsfreie Entfernung,

  • Wirtschaftlichkeit und praktische Anwendbarkeit.

Nach heutigem Wissen gilt, dass die lokalen Wundtherapeutika nicht einen alleinigen Einfluss auf die Wundheilung haben, dennoch müssen die lokalen Therapeutika eingesetzt werden, um ideale Bedingungen der Wundheilung herzustellen. Weitere Faktoren, die die Wundheilung beeinflussen und ins therapeutische Konzept eingebunden werden müssen, sind:

  • die Beurteilung des arteriellen Zustandes der Wunde,

  • die Reduzierung des Ödems,

  • die Wirksamkeit und Stärke des Kompressionsdrucks,

  • Prüfung der erreichbaren Gehstrecke,

  • der pH-Wert der Wunde,

  • der Ernährungszustand des Patienten,

  • die hygienischen Bedingungen der Wunde und des Patienten,

  • die Aktivierung der Muskelpumpe des Patienten – durch krankengymnastische Übungen und Mobilisierung des oberen Sprunggelenkes kann diese Muskelpumpe aktiv die Wundheilung beeinflussen,

  • ein strukturiertes Gefäßtraining durch Training einer bestimmten Gehstrecke fördert aktiv die arterielle Komponente der Wundheilung. Stadium N. Fontaine 1 und 2.

  • alle Arten von Begleiterkrankungen


Noch einmal zusammengefasst:


Die Wirkungsmechanismen der manuellen Lymphdrainage auf die chronischen Beinwunden sind also

  • die Reduzierung des eiweißreichen Ödems,

  • Verringerung der Diffusionsstrecke,

  • verbesserter Zelltransport,

  • erhöhte Sauerstoffversorgung,

  • die Erhaltung und/oder Wiedergewinnung der Gewebeelastizität,

  • die Wiederherstellung der Schutzfunktion der Haut,

  • eine Verbesserte Micro und Makrocirkulation.

Die Ödemreduktion bewirkt eine Verkürzung der Diffusionsstrecke im Interstitium und somit eine verbesserte Mikro- und Makrozirkulation, also eine Verbesserung des Zelltransportes sowie eine bessere Sauerstoffversorgung.


Kombinationen von manueller Lymphdrainage, feuchter Wundtherapie und Kompressionstherapie:


  • Als erstes wird beim Patienten der Verband entfernt.
  • Anschließend wird eine Wund- und Ödeminspektion durchgeführt.
  • Es folgt die Nassphase, in der die sterilen Kompressen mit sterilen Flüssigkeiten, wie z. B. NaCl oder polyhexanidhaltiger Spüllösung oder Antiseptikum angefeuchtet werden.
  • In dieser Nassphase (20 Minuten) wird die manuelle Lymphdrainage durchgeführt.
  • Danach wird eine mechanische Wundreinigung mit einer sterilen Kompresse durchgeführt. Die Wunde wird abschließend mit einer sterilen Kompresse trocken belegt, es folgt eine 15-minütige manuelle Lymphdrainage, um erneut ödemreduzierend zu wirken.
  • Anschließend werden die sterilen Kompressen entfernt, es wird wieder eine mechanische Wundreinigung vorsichtig durchgeführt.
  • Im Abstand von jeweils zwei Wochen wird eine Fotodokumentation erstellt.


Begleitende therapeutische Maßnahmen sind etwa OSG-Mobilisation / KG, Ernährungsscreening, Gefäßtraining, ABI Messung. Abschließend folgt die lokale Wundversorgung mit Wundrandpflege, einer Umgebungshautpflege und eine Applikation mittels der neuen Wundauflage.

Hierbei sind lokale Gegebenheiten und die Empfehlungen der Hersteller zu berücksichtigen:

  • Darf die Wundauflage die Wunde überlappen?
  • Darf die Wundauflage zerschnitten werden?
  • Hält die Wundauflage das erwünschte feuchte Milieu der Wunde?
  • Sind die Kanten abgerundet?
  • Haftet die Wundauflage in der Wunde?
  • Kann die Wundauflage unter Kompression eingesetzt werden ?

Anschließend wird ein lymphologischer Kompressionsverband angelegt, d. h. einem Schlauchverband folgt die Polsterung in Form von Schaumstoff oder Therapiewatte. Den Abschluss bilden Kurzzugbandagen in Form einer A-D-Versorgung, also vom Fuß bis zum Knie und u. U. bis zur Leiste A-G. Die abschließende Dokumentation belegt den genauen Behandlungsablauf, z. B. welche Wundauflagen benutzt wurden und in welchem Zustand sich die Wunde nach der Wundreinigung befand.


Entstehung eines Ulcus cruris venosum unter Einbeziehung des Lymphgefäßsystems


Der Venenklappeninsuffizienz folgt ein gestörter venöser Rückfluss mit anschließender Druckerhöhung in der Vene und konsekutiv vermehrten Flüssigkeitsanlagerung im Interstitium. Spätestens ab diesem Moment handelt es sich um ein Phlebo-Lymphödem, also auch ein lymphologisches Krankheitsbild. Aus der Verlängerung der Diffusionsstrecke ergibt sich eine mangelnde Gewebeversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen, der Untergang des betroffenen Gewebes und die Ausbildung eines Ulcus cruris venosum.

Die Kombination dieser Behandlungsschritte stellt ein sehr effektives Therapiekonzept dar, welches unter der Bezeichnung „Das Behandlungskonzept chronischer Wunden
mittels Manueller Lymphdrainage, Moderner Wundbehandlung u. Kompressionstherapie nach Hauke Cornelsen“ in die Literatur Eingang gefunden hat.


Fazit


Die Komplexe Behandlung von chronischen Wunden mittels

Manueller Lymphdrainage – Wundbehandlung - Kompressionstherapie

hat sich in meiner Praxis als sehr viel versprechendes Behandlungskonzept entwickelt, dessen Voraussetzung eine adäquate Ausbildung ist und mit einer guten Patienten-Compliance gute Therapieergebnisse vorweisen kann.

Untermauert wird dieses Procedere auch durch Aussagen in der S-3 Leitlinie.