Behandlung chronischer Wunden – Teil 1

Manuelle Lymphdrainage bei chronischer Wunde

Hauke Cornelsen hat mit der Kombination manuelle Lymphdrainage, moderne
Wundbehandlung, Kompressionstherapie und Sprunggelenks- u. Gefäßtraining
ein neues Therapiekonzept bei chronischen Wunden entwickelt. Der Hamburger
Lymphdrainagetherapeut erläutert für DERMAforum die Details.

Foto: privat
Hauke Cornelsen: „Die Reduzierung des Ödems durch manuelle Lymphdrainage bei akuten und chronischen Wunden wird auch in der Wundtherapie durch eine adäquate Kompressionstherapie unterstützt.“

Ein relativ neues Feld entsteht in der Wundbehandlung, in dem die Prinzipien der manuellen Lymphdrainage und die der modernen Wundbehandlung mit anschließender Kompressionstherapie zusammengeführt werden. Dieses ist nur ausgebildeten Therapeuten vorbehalten. Das heißt, die Physiotherapeuten sollten eine Ausbildung als Lymphdrainage-Therapeuten und zusätzlich eine Ausbildung zum Wundassistenten WAcert unter der Aufsicht eines Wundtherapeuten haben, um eine Behandlung dieser z.T. sehr komplexen Krankheitsbilder durchführen zu können Wobei die Therapiehoheit weiterhin dem Arzt obliegt.

Vor der Behandlung eines Patienten mit einer Wunde muss zusätzlich zum lymphologischen Befund ein genauer Befund der Wunde erhoben werden. Unabhängig von der vom Arzt gestellten Diagnose wird vom ausgebildeten Wundtherapeuten durch genaue Anamnese, Inspektion und Palpation der Befund der Verwundung erhoben. Dies dient der Therapieplanung und der Qualitätskontrolle des angewendeten therapeutischen Konzeptes.


Manuelle Lymphdrainage, moderne Wundbehandlung und Kompressionstherapie:


Bei einer Verwundung des Integuments entsteht immer ein Ödem. Dies ist Ausdruck der Verletzung des Gewebes und der Reparaturmechanismen, dies mag aber auch z. B. im besonderen Fall ein Phlebo-Lymphödem sein. Allen Ödemen bei Wunden, ob chronisch oder akut, ist gemeinsam, dass sie eine Verschlechterung der Makro- und Mikrozirkulation darstellen. Durch die manuelle Lymphdrainage wird die Lymphangiomotorik erhöht. Hieraus ergibt sich die Reduzierung des Umfanges der betroffenen Extremität und somit eine Verbesserung der Mikro- und Makrozirkulation im Gewebe, sowie ein Abbau von Zelltrümmern und entzündungsfördernden Stoffen. Die der Folge dieser Ödemreduzierung, also der Verkürzung der Diffusionsstrecke ergibt sich eine Verbesserung der Makro- und Mikrozirkulation. Resultierend ist eine bessere Wundheilung.

Die Reduzierung des Ödems durch manuelle Lymphdrainage bei akuten und chronischen Wunden wird auch in der Wundtherapie durch eine adäquate Kompressionstherapie unterstützt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass zuerst die arterielle Situation geprüft werden muss. Hierfür werden Fußpulse, Kniepulse und Leistenpulse palpiert. Wenn diese nicht ausreichend tastbar sind, sollte eine Auskultation mit einem Taschendoppler durchgeführt werden. Falls auch hierdurch keine aussagekräftige Befundung zu erbringen ist, muss eine ABI-Messung durchgeführt werden. Die Werte einer ABI-Messung, die entweder vom Wundtherapeuten oder vom behandelnden Arzt durchgeführt wird, sollten vom Therapeuten ins Konzept eingepflegt werden und sind dringlich zu beachten. Ein zu hoher Kompressionsdruck ohne vorherige Prüfung des Gefäßstatus hat desaströse Folgen für die verwundete Region.

Eine Kompressionstherapie bei einem ABI-Wert über 1,3 ist kontraindiziert. Häufig liegt bei einem solchen Wert eine Mediasklerose vor. Bei einem Wert unter 0,75 ist eine Kompressionstherapie absolut kontraindiziert, weil in diesem Fall eine Ischämie unterstellt werden muss, deren Akuität sich durch die Kompressionstherapie dramatisch verschlechtern würde. Bei Werten zwischen 0,75 und 0,9 kann eine moderate Kompressionstherapie durchgeführt werden. Bei Werten zwischen 0,9 und 1,2/1,3 kann eine Kompressionstherapie durchgeführt werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Kompressionstherapie nicht zu fest angelegt wird. Eine langsame Steigerung des Kompressionsdruckes kann versucht werden. Verträglicher ist für den Patienten ein initial milder, sogenannter moderater Kompressionsdruck. Nicht vernachlässigt werden darf die Hautpflege mit hypoallergenen Produkten.


ABI – Knöchel – Arm Index Messung


Die moderne Wundbehandlung setzt eine solide Ausbildung voraus. Ist diese Ausbildung noch nicht vorhanden, kann trotzdem mit der Ausübung der manuellen Lymphdrainage – natürlich auch nur von ausgebildeten Therapeuten – in der Wundtherapie eine Ödemreduzierung und damit ein Abbau von entzündungsfördernden Stoffen sowie eine Verbesserung der Mikro- und Makrozirkulation erzielt werden. Eine Wundbehandlung darf ohne ausreichende Qualifikation nicht durchgeführt werden.

Nach Ansicht des Autors ist die Behandlung in direkter Nähe des Wundrandes aus hygienischen Gründen kontraindiziert. Die Empfehlung ist, einen Abstand von ca. 10 Zentimetern zum Wundrand einzuhalten. Hygienische Voraussetzungen sind einzuhalten sowie ein direkter Kontakt mit dem Wundbett zu vermeiden (Non-Touch-Technik).

Eine Keimverschleppung durch die MLD, die theoretisch denkbar wäre, und ein daraus z.B. resultierendes Erysipel hat sich bis heute bei keinem der von uns behandelten Patienten gezeigt.


Welche Aussagen gibt es heute zur Lymphologie und Wundbehandlung?


Nach Prof. Dr. med. Joachim Dissemond, Essen, gilt aus seiner Publikation aus dem Jahre 2007 „Ulcus cruris venosum – Genese, Diagnostik und Therapie“: „Es ist die Aufgabe der Lymphknoten, die Lymphe zu filtern und die Phagozytose von Mikroorganismen und Toxinen zu befreien.“ Genau dies leistet die manuelle Lymphdrainage, wenn wir sie in der Wundtherapie gezielt einsetzen um den Heilungsverlauf zu verbessern.

Aus dem Erasmus Medizinzentrum in Rotterdam wird berichtet: „Das Ödem ist der Hemmfaktor für die Heilung von Beinulzera.“ In ähnlicher Weise äußert sich Frau Dr. Christina Schreiber, 1. Vorsitzende des Lymphnetzes Hamburg aus dem Jahre 2011: „Jedes Ödem verschlechtert die Mikrozirkulation.“

Auf Basis dieser Aussagen und vieler anderer haben wir uns dem Problem der kombinierten lokalen Behandlung von Wunden und dem Einsatz der manuellen Lymphdrainage genähert und die Behandlung der chronischen Wunden mit den Verfahren der lymphologischen Behandlung zusammengeführt.


Was wollen wir erreichen in der Behandlung der chronischen Wunde?


An erster Stelle steht die Verbesserung der Lebensqualität. Das muss das oberste Therapieziel sein. An zweiter Stelle steht die Schmerzreduzierung.

Patienten mit einem Ulcus cruris haben oftmals eine hohe Schmerzsymptomatik. Es muss unser Ziel sein, diese Symptomatik möglichst schnell zu reduzieren und auch wundtherapeutisch so zu handeln, dass die Behandlung nicht weitere Schmerzen zufügt. Dies kann man mit verschiedenen Möglichkeiten erreicht werden. Die Anwendung atraumatischer Wundauflagen ist hierfür förderlich. Die Wundreinigung sollte erst nach einer Nass-Trocken-Therapie beginnen, vor dem Entfernen der verbrauchten Wundauflage sollte diese mit sterilen Lösungen, wie z. B. NaCl-Lösung eingeweicht werden. An dritter Stelle steht die Geruchsverminderung. Durch Applikation verschiedener Wundauflagen, die kohlehaltig sind, kann die Geruchsverminderung erzielt werden. An vierter Stelle steht die komplette Abheilung der Wunde. Dies ist aber erst einmal nicht das vorrangige Therapieziel.


Was sind das für Wunden, die wir inzwischen behandeln?


An erster Stelle steht in der Statistik das Ulcus cruris venosum und an zweiter Stelle das Ulcus cruris mixtum, sowie das Ulcus cruris arteriosum und das Ulcus bei diabetischem Fuß.

Auch bei diesen Krankheitsbildern gilt, dass der Beginn der manuellen Lymphdrainage nicht am eigentlichen Problemödem-Wundgebiet liegt, sondern zuerst die Halslymphknoten aktiviert werden. Danach folgt die Aktivierung der axillären Lymphknoten, dann die Bauchbehandlung, dann die Aktivierung der beidseitigen inguinalen Lymphknoten.

Handelt es sich um eine einseitige Problematik, so wird nur die betroffene Extremität von proximal nach distal, Druckrichtung proximal voranschreitend, behandelt. Sollte es sich um eine beidseitige Problematik handeln, werden beide Beine von proximal nach distal, Druckrichtung proximal voranschreitend, behandelt.

Nur eine saubere Wunde kann heilen, also ist die Wundreinigung von essentieller Bedeutung.

Es gibt vier verschiedene Arten der Wundreinigung:

1. Das Debridement

Diese ist eine rein chirurgische, also ärztliche Wundreinigung. Dies bedeutet: radikales Entfernen von avitalem Gewebe bis intaktem Gewebe.

2. Die Dekontamination

Hierunter versteht man eine antiseptische, mechanische Wundreinigung zur weitgehenden Beseitigung lokaler Entzündung oder Prävention einer systemischen Infektionserkrankung.

3. Die aktive periodische Wundreinigung

Gezielte wiederkehrende mechanische Wundreinigung (Wundspüllösung) im Rahmen des Verbandwechsels. Dieses Vorgehen wird bei uns in der Praxis favorisiert und sehr erfolgreich angewendet. Diese Form der Wundreinigung, die aktive periodische Wundreinigung (abgekürzt APW), ist die effektivste Form, die wir zeitgleich mit der Lymphdrainage durchführen können.

4. Die passive periodische Wundreinigung

Dieser Reinigungsprozess findet unterhalb des Sekundärverbandes statt. Es gibt verschiedene Wundauflagen. Wenn man z. B. NaCl-Kissen auf die Wunde appliziert, geben diese Flüssigkeit in die Wunde ab. Beim späteren Entfernen der Wundauflage ist die Wunde wieder in einem besseren gereinigten Zustand. Dabei ist zu beachten, dass diese Wundauflagen nicht länger als zwölf bis 24 Stunden auf dem Wundareal appliziert sein dürfen, weil es sonst zu verstärkter Mazeration in der Umgebungshaut kommen könnte.

Eine Möglichkeit der Wundreinigung ist z. B. die Nass-Trocken-Therapie. Hierunter versteht man eine 20-Minuten-Nass-Therapie; in dieser Zeit kann die manuelle Lymphdrainage durchgeführt werden. Nach diesen 20 Minuten wird die Nass-Therapie entfernt, ihr folgt eine mechanische Wundreinigung. Dieser folgt eine Trocken-Therapie von 15 Minuten. Es werden sterile Kompressen auf die Wunde aufgelegt, die manuelle Lymphdrainage wird weiter durchgeführt, abschließend wird die Wunde mit sterilen Kompressen gereinigt und dann lokaltherapeutisch versorgt. Zum Einsatz kommen neben einer Wundrandpflege auch die dazugehörenden lokalen wundtherapeutischen Auflagen. (Fortsetzung in der nächsten Ausgabe von DERMAforum)