Überleben von Tumorzellen Wissenschaftler im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) haben gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam in Laborversuchen einen bislang unbekannten Überlebensmechanismus im Zellkern besonders aggressiver Tumorzellen entschlüsselt.
Eine wichtige Rolle hierbei spielt das proteinspaltende Enzym Caspase 8, das sich ausschließlich bei aggressiven Krebszellen im Zellkern anreichert. Ließe sich das Enzym an dieser Stelle
chemisch hemmen, wäre es denkbar, verschiedene Krebserkrankungen auch in fortgeschrittenen Stadien wirkungsvoll zu bekämpfen.
Tumorzellen vermehren sich meist besonders schnell und setzen dabei Kontrollmechanismen außer Kraft, mit denen der Körper die Teilung kranker Zellen zu verhindern sucht. Häufig spielen hierbei
Mutationen des im Zellkern enthaltenen Proteins p53 eine Rolle, das eine wichtige Kontrollfunktion im Zellzyklus ausübt. Gerade in besonders aggressiven Krebszellen, die bei metastasierenden
Tumorerkrankungen wie dem malignen Melanom eine wichtige Rolle spielen, liegt p53 allerdings zumeist in seiner funktionsfähigen Normalform vor. Trotzdem kann es seiner Wächterfunktion
offensichtlich nicht nachkommen. Verantwortlich hierfür ist ein bislang unbekannter Mechanismus, der bewirkt, dass der p53-Spiegel im Kern besonders aggressiver Krebszellen zu gering ist, um
geschädigte Krebszellen in den programmierten Zelltod zu treiben. Eine wichtige Rolle in diesem Mechanismus spielt das Enzym Caspase 8, das normalerweise nur im Zytoplasma vorkommt, sich
bei aggressiven Krebszellen jedoch im Zellkern anreichert. „Wir konnten erstmals zeigen, dass Caspase 8 im Zellkern ein spezielles Protein – USP28 – spaltet, das dafür verantwortlich ist,
den p53-Spiegel in Krebszellen mit erhöhter DNA-Schädigung anzureichern. In der Folge wird p53 zu stark abgebaut und kann seine Kontrollfunktion nicht mehr ausüben. Zellen mit geschädigter DNA
werden dann nicht mehr in den programmierten Zelltod getrieben, sondern stattdessen der Zellteilung zugeführt“, erklärt Prof. med. Dagmar Kulms, Leiterin des Bereichs „Experimentelle
Dermatologie“ des NCT/UCC. „Wie wirkungsvoll dieser Mechanismus ist, zeigen die schlechten Überlebensraten von Patienten, bei denen sich eine Anreicherung von Caspase 8 im Zellkern von
Tumorzellen nachweisen lässt. Gerade diese Zellen finden sich oft auch gehäuft in der restlichen Tumormasse, die sich bei vielen aggressiven Krebserkrankungen der zunächst erfolgreichen
Behandlung entzieht“, sagt Dr. Mads Daugaard vom Vancouver Prostate Centre, Kanada.
Die Wissenschaftler konnten den Mechanismus im Labor anhand zahlreicher Zelllinien sowie Patientengewebe für das maligne Melanom und Prostatakrebs belegen. Zum gleichen Ergebnis führten
Untersuchungen an Zelllinien weiterer Tumorarten, darunter Bauchspeicheldrüsenkrebs, Blasenkrebs, Brustkrebs, Darmkrebs, Eierstockkrebs, Hodenkrebs, Lungenkrebs, Nierenkrebs und Tumoren des
Hirns.
Besonders vielversprechend ist, dass Caspase 8 nur bei besonders aggressiven Krebszellen im Zellkern vorkommt und dort das Protein USP28 spaltet. Ließe sich die Interaktion von
Caspase 8 und USP28 mit einem chemischen Wirkstoff hemmen, könnten die aggressiven Tumorzellen künftig sehr gezielt bekämpft werden. „Dies könnte im Idealfall dazu führen, dass bei
metastasierten Krebserkrankungen, bei denen heutige Tumortherapien versagen, möglicherweise das Wachstum und die Ausbreitung gestoppt werden könnten“, sagt Prof. Dr. med. Stefan Beissert,
Direktor der Klinik für Dermatologie des Universitätsklinikums Dresden. Gemeinsam mit spezialisierten Chemikern wollen die Wissenschaftler künftig an einem entsprechenden Wirkstoff forschen.
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Kontakt
Dr. Anna Kraft
Nationales Centrum für
Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC)
Tel.: 0351 458-5548
Publikation
Ines Müller, Elwira Strozyk, Sebastian Schindler, Stefan Beissert, Htoo Zarni Oo, Thomas Sauter, Philippe Lucarelli, Sebastian Raeth, Angelika Hausser, Nader Al Nakouzi, Ladan Fazli, Martin E.
Gleave, He Liu, Hans-Uwe Simon, Henning Walczak, Douglas R. Green, Jiri Bartek, Mads Daugaard and Dagmar Kulms: Cancer cells employ nuclear caspase-8 to overcome the p53-dependent G2/M checkpoint
through cleavage of USP28