Kryolipolyse – Business mit der Kälte

Neue Spielwiese des Graumarktes

Betrachtet man die aktuelle Entwicklung im Markt der Kryolipolyse, so sieht man sich einem bemerkenswerten Deja Vu-Erlebnis ausgesetzt. Wieder springen etliche plötzlich aus dem Boden sprießende Firmen und Distributionsnetzwerke auf eine verheißungsvolle neue Therapieform auf, um so schnell wie möglich unsachgemäß „zusammengeklöppelte“ Systeme auf den Markt zu bringen.

In Anbetracht der Tatsache, dass die gesetzgeberische Verschärfung des Zulassungs- und Anforderungsprofils der Systeme der Ultraschall-Lipolyse eine fast dreijährige Ausarbeitungszeit in Anspruch genommen hat, scheint dies ein beruhigendes Zeitpolster zu sein, sich ungehinderten Eintritt ins gelobte Land der nichtinvasiven Körperkonturierung zu verschaffen.
Wohin gesetzgeberische Duldungsstarre führen kann, konnte jedermann an der Flut der „Kavitationsgeräte“ live miterleben. Nichts anderes ist nunmehr bei der Kryolipolyse zu beobachten: Es werden Geräte gebaut und auf den Markt gebracht ohne wissenschaftlichen Hintergrund und ohne sicherheits-spezifische Merkmale.
So wurde auf dem 5CC-Kongress in Cannes im September 2013, auf dem CCR-Congress in London im Oktober 2013 wie auch auf der Cosmedica und dem Body Kongress im November 2013 und zu guter Letzt auf der IMCAS 2014 im Februar von gravierenden Folgeschäden nach Kryolipolyse-Behandlungen mit Systemen aus dem Graumarkt in Form von erheblichen irreparablen Kälteverbrennungen und Gangrene/Wundbrand berichtet und entsprechende Bilder mit teils dramatischen Schädigungen präsentiert. Unter vorgehaltener Hand kam sogar ein Fall von eingefrorenem Urin in der Blase zur Sprache.
Es drängt sich die Frage auf, worin die Ursache solcher Vorfälle begründet ist – und da bedarf es keiner großen Vorstellungskraft, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass hier ein gravierendes Sicherheitsproblem zu Tage tritt: Das Fehlen der Implementation jeglicher Sicherheitsfeatures.
Dies verwundert wenig, ist doch bei Analyse der Nachahmer- und Billiggeräte das fast schon willkürliche Zusammenstückeln von Fertigbauteilen und Modulen aus dem Elektronikbaumarkt festzu‧stellen. Hier liegt die Krux der Unzulänglichkeiten der Laien-Kopierer begründet:
Man muss als „Hersteller“ nicht nur wissen, was man tut, sondern auch, wie man es anstellt, dies effizient und sicher umzusetzen.


Implementierung von Wissenschaft und Sicherheit


Kurz gesagt: Es mangelt an der Berücksichtigung von Wissenschaft und Sicherheit. Die Kombination aus völligem Defizit an physika‧lischen und biomedizinischen Grundkenntnissen gepaart mit dem Fehlen fundamentaler Sicherheitsstandards lässt den Gefährdungsgrad bei der Anwendung der nichtvalidierten Nachahmer- und Billiggeräte sich nahezu potenzieren. So rückt damit die (medizinische) Zulassungsproblematik unausweichlich in den Fokus: Sowohl die wissenschaftlich valide Verifikation als auch der Nachweis der Implementierung von Sicherheitsstandards sind bekanntlich wesentliche Säulen einer normenkonformen Zulassung.
Welche Blüten die Laienwissenschaft zur Erklärung des Wirkmechanismus treibt, lässt sich exem‧plarisch an nachfolgenden „Ausführungen“ verdeutlichen: Während bei der Ultraschall-Lipolyse an‧geblich durch Kavitation Fettzellen oder Adipozyten „explodieren“ oder „implodieren“ sollten, wird bei der Kryolipolyse folgendes Szenario von der Laienwissenschaft zum Besten gegeben: „Die Kühlung bewirkt einen natürlichen Abbau‧prozess der Fettzelle. Die Lipide in den einzelnen Zellen kristallisieren und zerstören durch ihre neue spitze Form die Zellmembran von innen. Die Fettzelle wird komplett zerstört und stirbt ab. Die abgestorbenen Fett‧zellen werden vom Harn ausgeschieden.“
Der Kommentierung des renommierten Biophysikers Dr. habil. Ilja Kruglikov in der letzten Ausgabe von DERMAforum hat dies bereits aufgegriffen, welcher es auch eigentlich nichts mehr hinzuzufügen gibt. Nur noch so viel: Solche hahnebüchenen Erklärungsmodelle stehen selbstverständlich einer Zertifizierung als Medizinprodukt diametral entgegen und halten keiner noch so niedrigen Schwelle einer „bildlichen“ Nachvollziehbarkeit biologischer Prozesse stand.


No cross reference


Doch auch die Nachahmergerätehersteller haben dazu gelernt. Beliebteste neue Marketing-Strategie ist das unzulässige „cross reference“: Um sich in die Aura eines Original- und Ursprungssystems einzuschleichen und den Anschein von wissenschaftlicher Validierung zu erwecken, wird u.a. auf die wissenschaftlichen Studien der beiden Erfinder der Kyrolipolyse, Prof. Dr. Dieter Manstein und Prof. Dr. Rox Anderson vom Massachusetts General Hospital, verwiesen und suggeriert, man bewege sich wissenschaftlich im Dunstkreis dieser high end-Forschung. Eine weitere Spielart dieser pseudowissenschaftlichen Seriosität ist die Bezeichnung als „MGH-Methode“ oder „Manstein/Anderson-Verfahren“ im Kontext eines Nachahmergerätes. Nicht nur, dass sich hier mit fremden Federn geschmückt wird, welches eigentlich der Anstand verbieten sollte. Auch ist diese Querverweisung auf ein anderes, als Medizinprodukt geprüftes, zugelassenes und FDA-cleared Originalsystem zur Legitimation des Nachahmergerätes nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) unter dem Gesichtspunkt der Irreführung und Täuschung des Verbrauchers unzulässig.
Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, dass auch mit der Durchführung von „eigenen Behandlungsstudien im Rahmen von 1.000 Probanden“ zum Zwecke der Suggerierung von profunder Wissenschaft und ausgereiften Systemen geworben wird, welches zum einen zweifelbehaftet wirkt, da in Anbetracht der kurzen Zeit, seit dem das System auf dem Markt ist, die Durchführung einer solch umfänglichen Studie und so hoher Patientenzahl mehr als fraglich ist. Und zum anderen auf Nachfrage die Aushändigung der beschriebenen Studie unter Hinweis darauf abgelehnt wird, sie werde mit Kauf des Gerätes übergeben. Die Würdigung dieses Verhaltens bleibt dem geneigten Leser vorbehalten.


Wissenschaftliche Studie bezogen auf konkretes System


In aller Klarheit: Die Bewerbung und Bezugnahme auf eine wissenschaftliche Studie ist nur dann zulässig, wenn die Studie mit dem konkret zum Einsatz kommenden System durchgeführt worden ist. Vor diesem Hintergrund ist auch der zunehmend festzustellende Wechsel der Nachahmergeräte in das Segment der Kosmetik zu sehen: Im Bewusstsein der eigenen Unzulänglichkeiten der wissenschaftlichen Verfikation sowie der fehlenden Kenntnisse der physikalischen Grundlagen und technisch adäquaten sowie sicheren Umsetzung wendet man sich lieber dem unkritischen Markt der Kosmetik zu, um auf diese Weise so lange wir möglich unterhalb eines sich näher mit diesen Systemen befassenden Radars zu bleiben.


Marktführer als Vorbild


Valide Wissenschaft ist bis dato nur von einem Kryolipolyse-System beigebracht worden. Dies ist das „Originalsystem“ der Firma Zeltiq Aesthetics Inc., welches in exklusiver Lizenz die wissenschaftlichen Erkenntnisse der oben genannten beiden Erfinder in das Coolsculpting-Gerät hat einfließen lassen und umgesetzt hat. Hierzu gehört auch das Sicherheitsfeature „Freeze Detect“, welches softwaregesteuert und sensorüberwacht gerade die Kälteverbrennungen bei der Anwendung der Kryolipolyse-Behandlung verhindert. Dies ist ein wesentliches Merkmal der Zulassung dieses Systems als Medizinprodukt der Zulassungsklasse MDD IIa, bei welcher gerade die Verschränkung der Wissenschaft mit der Sicherheit der Anwendung des Systems auf dem Prüfstand steht.
Bis dato lässt sich augenscheinlich kein anderes Kryolipolyse-System finden, welches ein derartiges Zulassungszertifikat neben der FDA-clearance vorweisen und vorlegen kann.
In der nächsten Ausgabe von DERMAforum werden die näheren Details der Zulassung von Geräten als Medizinprodukt und der haftungsrechtlichen Aspekte eingehend untersucht. ve/rb