AWMF im Dialog
Eine frühzeitige Einbindung der Fachgesellschaften in die frühe Nutzenbewertung von Arzneimitteln schätzen Experten als positiv und machbar ein. Dies ist das Ergebnis der Veranstaltung AWMF
im Dialog in Frankfurt mit dem Titel „Wissenschaftliche Medizin und die frühe Nutzenbewertung neuer Medikamente“.
Dazu kamen am 29. Juni Vertreter von Fachgesellschaften, des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG), der forschenden
Arzneimittelhersteller und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zusammen. Ziel ist die Verbesserung des im Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) festgelegten Verfahrens
der Nutzenbewertung.
Denn das Verfahren weist Mängel auf, so die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF). Sechs Vorschläge zur Optimierung legte die AWMF deshalb
bereits im März 2015 vor. Besonderer Verbesserungsbedarf wird hinsichtlich der frühen Einbeziehung des wissenschaftlichen medizinischen Sachverstands gesehen, um Fehleinschätzungen des
patientenrelevanten Nutzens eines neuen Arzneimittels zu vermeiden.
Als wesentlich stellten die Experten in Frankfurt das Ziel der AWMF heraus, Fachgesellschaften zukünftig früher in die Bewertungsverfahren einzubinden. Der G-BA sollte diese bereits anhören,
bevor ein neues Arzneimittel auf den Bewertungsprüfstand kommt. „Sowohl bei der Festlegung der zweckmäßigen Vergleichstherapie und der sinnvollen Therapieziele für die Bewertung als auch bei der
Beurteilung, ob spezielle Patientenuntergruppen von einer neuen Therapie profitieren oder nicht, ist klinisch-wissenschaftliche Expertise maßgeblich“, so Prof. Dr. med. Focke-Ziemssen von der
Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und Mitglied der AG Frühe Nutzenbewertung der AWMF. „Um frühzeitiger in den Dialog mit dem G-BA eintreten zu können, ist es notwendig, Arzneimittel
systematisch zu identifizieren, die in Kürze eine Nutzenbewertung des G-BA durchlaufen werden und darüber die Fachgesellschaften zu informieren“, so Ziemssen. Geplant ist zudem, dass die
Stellungnahmen der Fachgesellschaften zukünftig weitgehend einheitlich angelegt sein sollen.
Im Hinblick auf die Wahl der Therapieziele für die Nutzenbewertung machte Prof. Dr. med. Dirk Müller-Wieland von der Deutschen Diabetes Gesellschaft und der AG Frühe Nutzenbewertung der AWMF auf
die chronischen Erkrankungen aufmerksam. Hier sind patientenrelevante Therapieziele oder unerwünschte Wirkungen oft erst nach vielen Jahren zu beobachten: „In diesen Situationen muss jede frühe
Nutzenbewertung als vorläufig angesehen werden.“
Zudem soll der Stellenwert der Erhebung sogenannter Surrogat-Endpunkte stärker beforscht werden. Bei der Einteilung von Patienten in Untergruppen, die besonders von den neuen Arzneimitteln
profitieren, mahnten die Experten zur Vorsicht. Zum einen sei die Ergebnissicherheit für solche Gruppen oft wegen kleiner Gruppengrößen zu gering. Zum anderen müsste geprüft werden, ob in der
Praxis aussagekräftige, sichere Testverfahren zur Identifizierung dieser Patientengruppen vorhanden seien. Auch bekräftigten die Experten in Frankfurt die Berücksichtigung aktueller
evidenzbasierter Leitlinien, die den aktuellen Stand des Wissens und zudem Forschungsfragen abbilden. Eine weitere Herausforderung ist die steigende Zahl von Verfahren für Orphan Drugs,
Medikamente für seltene Erkrankungen. „Hier ist eine Vereinheitlichung der Bewertung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben erforderlich“, so Prof. Dr. med. Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter
der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie und Mitglied der AG Frühe Nutzenbewertung der AWMF. Verbessern sollte sich auch die „Buchführung“, waren sich die Experten in
Frankfurt einig. Denn der G-BA archiviert Stellungnahmen von Fachgesellschaften zu AMNOG-Verfahren bisher nicht ausreichend transparent.
Die AWMF und die Fachgesellschaften befürworten deshalb ein Register aller von ihnen abgegebenen Stellungnahmen.