Medizinrecht
Auch für sehr genau arbeitende Ärzte ist es mitunter nur schwer möglich, Versuche Suchtkranker zu erkennen, Betäubungsmittel zu erschleichen. Eine genaue Einhaltung der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften kann Ärzten dabei helfen, die rechtlichen Risiken zu kontrollieren. Dr. med. Dr. jur. Reinhold Altendorfer klärt auf.
Morphin, Fentanyl und andere Opiate – was als hochwirksames Schmerzmittel gedacht ist, ist auch immer wieder Gegenstand von Missbrauch. Drogenabhängige nutzen beispielsweise verbrauchte
Fentanylpflaster, um an den Wirkstoff zu bekommen. Der Abfall von Krankenhäusern oder Altenheimen wird nach gebrauchten Pflastern durchsucht und diese werden danach ausgekocht. Den so gewonnenen
Wirkstoff injizieren sich Drogenabhängige intravenös.
Auch auf anderem Wege versuchen Suchtkranke, an die Rauschmittel zu gelangen. Viele Drogenabhängige suchen Ärzte auf und unternehmen vor Ort in der Praxis den Versuch, von diesen eine
Verschreibung von Betäubungsmitteln zu bekommen. Die dabei erzählten Geschichten sind oft derart schlüssig und realistisch geschildert, dass eine Täuschung der Ärzte eintreten kann. Für die Ärzte
birgt die Verordnung dieser Mittel große (straf-)rechtliche Risiken. Diesen Risiken kann nur begegnet werden, wenn die Vorschriften zur Verschreibung von Betäubungsmitteln eingehalten werden. Die
rechtlichen Regelungen zum Umgang mit Betäubungsmitteln sind grundsätzlich im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und speziell zur Verschreibung in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung
enthalten. Die gesetzlichen Regeln stellen einerseits die erforderliche Versorgung mit Betäubungsmitteln sicher, andererseits dienen sie der Verhinderung von Betäubungsmittelmissbrauch. Mit einem
ordnungsgemäßen Rezept, welches bis zum achten Tag inklusive Verschreibungstag Gültigkeit hat, kann an den Patienten das Betäubungsmittel ausgegeben werden.
Die Verschreibung von Betäubungsmitteln oder die Verabreichung bei der ärztlichen Behandlung bedarf der ärztlichen Begründetheit (§ 13 BtmG). Sie darf nur dann erfolgen, wenn der Arzt aufgrund
ärztlicher Prüfung zu der Überzeugung kommt, dass nach den anerkannten Regeln der medizinischen Wissenschaft die Anwendung zulässig und geboten ist und nicht die Gefahr besteht, dass der Patient
nach den Umständen unvermeidbare Schäden erleidet. Eine Verschreibung oder Anwendung von Betäubungsmitteln setzt somit zwingend eine genaue körperliche Untersuchung des Patienten voraus, um
sicherzustellen, dass nicht andere risikoärmere Mittel für die Behandlung infrage kommen. Keinesfalls darf der Arzt sich auf die Aussagen des Patienten verlassen, da dabei die Gefahr besteht,
dass Symptome von Suchtkranken nur vorgetäuscht werden, um eine Betäubungsmittelverschreibung zu erschleichen. Empfehlenswert ist auch, sich Behandlungsunterlagen von vorbehandelnden Ärzten
vorlegen zu lassen, um Täuschungsversuche auszuschließen. Existiert eine alternative Behandlungsmethode, die zu einem vergleichbaren Erfolg führen und die Auswirkungen der Erkrankung lindern
kann, ist die Verschreibung von einem Betäubungsmittel nicht ärztlich begründet und damit nicht zulässig. Die ärztliche Begründetheit der Verschreibung ist auch dann nicht gegeben, wenn die
verordnete Menge die medizinische Erforderlichkeit überschreitet.
Problematisch ist eine Verschreibung von Betäubungsmitteln insbesondere dann, wenn dem Arzt der Verdacht einer Drogenabhängigkeit des Patienten kommt. Hier hat der Arzt besonders genau die
Angaben des Patienten zu hinterfragen und die Anzeichen eines drohenden Entzugs zu erkennen. Um zu vermeiden, dass es zu einem Missbrauch des Arzneimittels als Suchtmittel kommt, sollte der Arzt
die sofortige Einnahme unter eigener Aufsicht oder der Aufsicht von geeigneten Hilfspersonen anordnen.
Die weiteren Anforderungen für die Ausgestaltung einer Betäubungsmittelverschreibung finden sich in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung. § 8 der Verordnung schreibt vor, dass die
Verschreibung auf einem speziellen amtlichen Vordruck zu erfolgen hat. Dieses dreiteilige Betäubungsmittelrezept wird auf Anforderung von dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
an den Arzt ausgegeben. In Notfällen kann auch ein anderes Verschreibungsformular verwendet werden, welches mit dem Wort „Notfall-Verschreibung“ zu kennzeichnen ist. Der Apotheke muss bei
Notfallverordnungen unverzüglich die Verschreibung auf einem Betäubungsmittelrezept nachgereicht werden. Betäubungsmittelrezepte müssen von dem Arzt drei Jahre lang aufbewahrt werden und in der
Praxis mit geeigneten Maßnahmen sicher vor unbefugter Entwendung verwahrt werden. Die Betäubungsmittelrezepte werden personenbezogen erteilt und sind mit einer Nummer dem jeweiligen Arzt
zugeordnet. In einer Gemeinschaftspraxis hat das die Konsequenz, dass jeder Arzt ein eigenes Rezeptformular nutzen muss. Grundsätzlich handelt jeder verschreibende Arzt eigenverantwortlich. Auch
angestellte Ärzte benötigen eigene Rezepte und müssen persönlich die Anforderungen an die ordnungsgemäße Verschreibung von Betäubungsmitteln sicherstellen. Die Nutzung fremder Rezeptformulare ist
nur in zeitlich begrenzten Vertretungsfällen wie Krankheit oder Urlaub zulässig.
Das Betäubungsmittelrezept muss neben dem Namen und der Adresse des Patienten das Ausstellungsdatum enthalten. Die Arzneimittelbezeichnung und die darin enthaltene Bezeichnung und Gewichtsmenge
des Betäubungsmittels muss auf dem Rezept vermerkt werden, ebenso wie die Menge des verschriebenen Arzneimittels in Gramm oder Milliliter beziehungsweise Stückzahl. Damit eine bestimmungsgemäße
Verwendung des betäubungsmittelhaltigen Arzneimittels gewährleistet werden kann, ist eine Gebrauchsanweisung mit einer Angabe der Einzel- oder Tagesgabe nötig. Möglich ist auch die Erteilung
einer schriftlichen Gebrauchsanweisung an den Patienten und die Aufnahme eines entsprechenden Verweises auf dem Betäubungsmittelrezept. Abschließend muss das Rezept den Namen, die
Berufsbezeichnung und die Anschrift einschließlich einer Telefonnummer sowie die Unterschrift des verschreibenden Arztes enthalten.
In der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung sind für manche Betäubungsmittel wie Fentanyl oder Morphin Höchstmengen, welche innerhalb von 30 Tagen verschrieben werden können, festgesetzt.
Diese Höchstmengen dürfen nur in begründeten Einzelfällen, unter Wahrung der Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs und mit besonderer Kennzeichnung auf dem Betäubungsmittelrezept mit dem
Buchstaben „A“ überschritten werden. Im Nachgang zu jeder Verschreibung muss der Verbleib und der Bestand von Betäubungsmitteln in der Praxis dokumentiert werden.
Eine Nichteinhaltung der Vorschriften über die Verschreibung von Betäubungsmitteln zieht ernsthafte rechtliche Konsequenzen nach sich. Die Verschreibung ohne ärztliche Begründetheit ist nach § 29
BtmG eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht ist. Die Nichteinhaltung der Vorschriften der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung stellen eine
Ordnungswidrigkeit dar. Unabhängig davon können auch berufsrechtliche Maßnahmen drohen.
Mit den Vorschriften über die Verschreibung von Betäubungsmitteln hat der Gesetzgeber den Ärzten eine besondere Verantwortung im Bereich der Bekämpfung und der Vorbeugung von
Betäubungsmittelmissbrauch auferlegt. Der erste Schritt zur Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs setzt bereits bei der ärztlichen Verschreibung an. Jedoch ist es auch für sehr genau arbeitende
Ärzte mitunter nur schwer möglich, Versuche Suchtkranker, Betäubungsmittel zu erschleichen, zu erkennen. Eine genaue Einhaltung der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften kann dabei helfen.