Medizinrecht
Völlige Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit kann für manche Vertragsärzte ein Grund sein, sich nicht mit Kollegen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammenzuschließen. Trotz allem will und muss auch ein Einzelkämpfer hin und wieder auf Kollegen zurückgreifen, um den Arbeitsalltag zu bewältigen.
Urlaub, Krankheit, Arbeitsüberlastung – es gibt viele Gelegenheiten, in denen ein Vertragsarzt die Mitarbeit eines anderen Kollegen benötigt. Für eine solche Arbeitsentlastung und Arbeitsteilung
sieht das Vertragsarztrecht einige Möglichkeiten vor. Nicht zuletzt bieten sich die vorgestellten Modelle zum Teil auch dazu an, im Rahmen einer geplanten Praxisübernahme die potenzielle Praxis
und deren Patientenstamm kennenzulernen.
Bei einem kurzzeitigen Bedarf, insbesondere bei Krankheit oder Urlaubsabwesenheit, kann sich ein Vertragsarzt durch einen Kollegen vertreten lassen. Dabei sind zwei verschiedene Fälle zu
interscheiden: Der Vertreter kann entweder in der Praxis des abwesenden Arztes tätig werden oder die Patienten des abwesenden Arztes als eigene Patienten in seiner eigenen Praxis versorgen. Die
Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Vertretung erfüllt entweder ein Vertragsarzt mit der gleichen Fachrichtung wie der Vertretene oder ein im Arztregister eingetragener, das heißt ein
approbierter und über die vertretene Facharztanerkennung verfügender, Arzt. Ein Vertragsarzt, der als Vertreter in der Praxis des abwesenden Arztes tätig wird, muss aber stets darauf achten, dass
die Versorgung an seinem eigenen Praxisstandort sichergestellt ist. Für die anfallenden Vertretungsfälle Krankheit, Urlaub und Teilnahme an Fortbildungen ist eine Genehmigung der Vertretung durch
die Kassenärztliche Vereinigung nicht vorgeschrieben, wenn die Dauer der Vertretung drei Monate innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten nicht überschreitet. Genehmigungsfrei ist auch eine
Vertretung bis zu zwölf Monaten im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft einer Vertragsärztin. Genehmigungspflichtig hingegen ist jede Vertretung, die die vorgenannte Zeitdauer überschreitet,
sowie Vertretungen aufgrund von Aus- und Weiterbildung und zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung. Gründe für eine genehmigungspflichtige Vertretung können auch
Kindererziehungszeiten bis zu 36 Monaten sein, die bis zu sechsmonatige Pflege eines nahen Angehörigen sowie der Tod des Vertragsarztes. Beachtet werden muss, unabhängig von der
Genehmigungspflichtigkeit, dass Abwesenheiten von mehr als einer Woche der Kassenärztlichen Vereinigung angezeigt werden müssen.
Möglichkeit der Anstellung
Eine dauerhafte Arbeitsentlastung in einer stark frequentierten Praxis stellt die Anstellung eines Arztes dar. Die Hürden einer Anstellung hängen davon ab, ob im Zulassungsbezirk Beschränkungen
angeordnet sind oder eine Zulassung uneingeschränkt möglich ist. In einem zulassungsbeschränkten Bezirk muss für den angestellten Arzt ein Vertragsarztsitz vorhanden sein. Dieser kann entweder
durch Erwerb eines Sitzes, durch Verzicht zugunsten einer Anstellung, im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens oder durch ein Jobsharing-Modell geschaffen werden. Ohne Einschränkungen kann
dagegen die Anstellung in einem nicht zulassungsbeschränkten Bereich erfolgen. Die Anstellung eines Arztes muss stets dem zuständigen Zulassungsausschuss vorgelegt und von diesem genehmigt
werden. Voraussetzung der Genehmigungsfähigkeit ist die Facharztanerkennung des Anzustellenden, die zwar grundsätzlich, aber nicht ausnahmslos mit der Facharztrichtung des zukünftigen
Arbeitgebers übereinstimmen muss. Werden im Regelfall gemeinsame fachübergreifende Behandlungen durchgeführt, ist die Anstellung eines fachgebietsfremden Arztes möglich. Für überlastete
Vertragsärzte interessant ist die Tatsache, dass die Anzahl der angestellten Ärzte nicht auf einen Angestellten beschränkt ist. Für jeden über eine volle vertragsärztliche Zulassung verfügenden
Arzt können bis zu drei Anstellungen genehmigt werden, bei überwiegend medizinisch-technischer Leistungserbringung sogar vier. Bei einer halben Zulassung verringert sich diese Zahl auf eine
mögliche Anstellung. Durch die Anstellung ist die Behandlung einer größeren Zahl von Patienten möglich. Die dadurch steigenden Kosten und Ausgaben werden dadurch ausgeglichen, dass jedem
angestellten Arzt ein eigenes Regelleistungsvolumen zugewiesen wird. Fällt der angestellte Arzt aus, kann er in den gleichen Fällen wie ein Vertragsarzt und im Falle einer Kündigung
beziehungsweise Freistellung vorübergehend vertreten werden.
Geht es dem Vertragsarzt primär darum, seinen eigenen Arbeitsumfang zu reduzieren, bietet sich das sogenannte Jobsharing-Verfahren an. Interessant dürfte dieses Modell insbesondere für
Vertragsärzte und Vertragsärztinnen mit Familie sein, die ihre Arbeitszeit hin zu einer Teilzeittätigkeit reduzieren wollen. In gesperrten Zulassungsbereichen ist dies ohnehin die einzige
Möglichkeit, einen Praxismitarbeiter zu gewinnen, ohne einen weiteren Vertragsarztsitz beschaffen zu müssen. Bei einem Jobsharing teilen sich zwei Ärzte den bisherigen Versorgungsauftrag
arbeitsteilig auf. Dabei arbeiten entweder zwei freiberuflich tätige Ärzte zusammen, oder der Vertragsarzt stellt den Jobsharing-Partner in seiner Praxis an. Wie bei allen Kooperationsmodellen
ist die Fachgebiets- und Versorgungsgebietsidentität der beiden Ärzte ein notwendiges Kriterium für eine Genehmigung des Jobsharing durch den Zulassungsausschuss. Die Grundidee dahinter, die
Aufteilung des Versorgungsauftrags, schlägt sich bei der Abrechnung der Leistungen nieder. Der Zulassungsausschuss legt eine Obergrenze an abrechenbaren Leistungen fest, die sich nach den dem
Jobsharing vorangehenden Abrechnungen der vier Quartale der Praxis richtet, versehen mit einem dreiprozentigen Aufschlag des Fachgruppendurchschnitts. Im weiteren Tätigkeitsverlauf orientiert
sich die Obergrenze an der Entwicklung der Fachgruppe.
Eine weitere Möglichkeit des arbeitsteiligen Zusammenwirkens in einer Praxis ist die Beschäftigung eines Assistenten, welcher in einem Anstellungsverhältnis tätig wird. Dabei ist zwischen einem
Weiterbildungsassistenten und einem Sicherstellungsassistenten zu unterscheiden. Ein Weiterbildungsassistent ist ein approbierter Arzt, der im Rahmen seiner Weiterbildung bei einem zur
Weiterbildung befugten Vertragsarzt tätig wird. Die Anstellung eines Weiterbildungsassistenten muss von der Kassenärztlichen Vereinigung genehmigt werden und darf grundsätzlich nicht mit dem Ziel
erfolgen, den Umfang der Praxistätigkeit zu erweitern. Eine Ausnahme besteht mit dem Ziel der Förderung der hausärztlichen Versorgung bei der Weiterbildung im Bereich der Allgemeinmedizin. Eine
interessante Neuerung hat das Versorgungstärkungsgesetz im vergangenen Jahr gebracht: Will der Weiterbildungsassistent nach Abschluss seiner Weiterbildung in der Praxis verbleiben, so kann dieser
bis zur Entscheidung über den Antrag auf Zulassung zur vertragsärztlichen Entscheidung weiter beschäftigt bleiben.
Ein Sicherstellungsassistent kann dann beschäftigt werden, wenn der Praxisinhaber aus vorübergehenden Gründen gehindert ist, der vertragsärztlichen Versorgung in genügendem Umfang zur Verfügung
zu stehen. Die Gründe für die Anstellung eines Sicherstellungsassistenten können vielfältig sein, von längerer einschränkender Krankheit, Kindererziehung, belegärztlicher Tätigkeit bis hin zu
berufspolitischer Aktivität. Die zeitlich auf sechs Monate bis zwei Jahre begrenzte Genehmigung der Anstellung eines Sicherstellungsassistenten darf nur dann erfolgen, wenn der Assistent über
die gleiche Facharztanerkennung wie der Arbeitgeber verfügt. Der Sicherstellungsassistent darf nur die Leistungen erbringen, die er selber und der anstellende Arzt erbringen dürfen.
Die Entlastung für einen Vertragsarzt kann noch durch andere Maßnahmen erreicht werden, so beispielsweise durch die Gründung einer Gemeinschaftspraxis. Welcher Weg der geeignetste ist, hängt
dabei jeweils vom Einzelfall, insbesondere von den Gründen und der Zeitdauer des Bedarfs, ab. Alles alleine bewältigen muss auch in der Einzelpraxis niemand.